Der Insel- und Küstengärtner

Üppige Hortensien vor reetgedeckten Backsteinhäusern, Strandkörbe und die Nähe zum Meer: Ostfriesische Inselgärten haben ein besonderes Flair. Doch wie die Häuser sind auch sie auf Sand gebaut. Was das bedeutet, weiß Harm-Dierk Wellmann nur zu gut. Denn seine Mitarbeiterteams schippern fast täglich nach Langeoog, Spiekeroog, Wangerooge oder Juist. Mit an Bord: Muttererde, Stauden, Gehölze, Pflastersteine. Damit alles pünktlich beim Kunden ankommt, braucht man viel Wasser unterm Kiel und eine gute Planung.        

Wann die Mitarbeiterteams des GaLaBau-Betriebs Schoon Grüngestaltung morgens von Wittmund zu ihren Inseleinsätzen starten können, hängt auch von den Gezeiten ab. Das hat Harm-Dierk Wellmann schon gelernt, als er selbst seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner in Ostfriesland absolviert hat. Je nach Ebbe und Flut verzögern sich schon mal die An- und Abfahrtswege. Es kann sogar passieren, dass das ganze Team im Schlick landet, weil die Ebbe so stark ausfällt. So wie einmal auf dem Weg zu einem Kunden auf Spiekeroog, da nutzte das Team ein Charterboot statt der Fähre. Am Ende half nur Aussteigen und Schieben. Lieber verlässt sich Wellmann auf die örtlichen Transportunternehmen. Schifffahrt, E-Karren – nur auf Juist, da muss alles mit Pferdewagen befördert werden. Und das dauert eben.

Überhaupt ist man hier in Ostfriesland langsamer unterwegs, genau das zieht ja viele Feriengäste an – sie kommen wegen der Entschleunigung. Für Bauarbeiten bedeutet das: präzise Planung, genug Puffer, Flexibilität und Geduld. Weil die See und der Wind eben nicht immer mitspielen.

„Wir müssen unsere Gärten komplett auf die Inseln transportieren.“

Harm Dierk Wellmann

Im Garten- und Landschaftsbau werden die Gärten der Landschaft angepasst

Um zu ihren Arbeitseinsätzen nach Juist oder Wangerooge zu kommen, setzt sich das Team dann auch lieber ins kleine Flugzeug. Das ist schneller und zuverlässiger. Grundsätzlich muss alles auf die Inseln geschafft werden, was die Kundschaft in ihren Gärten sehen will. „Findlinge, Fertigpools: Was da schon alles auf die Inseln gegangen ist, ist sagenhaft“, sagt Harm-Dierk Wellmann und ist froh, die aufwändigeren Transporte Spezialfirmen überlassen zu können. Sein Betrieb bestückt die Landwirtschaftsanhänger, die mit der Kolonne rüberschippern.

Auf den Inseln hat er kleine Dependancen mit Bauwagen und Geräten. Auf Langeoog etwa lagern in einer angemieteten Halle Werkzeug und kleine Maschinen. Im Mittelpunkt stehen für den Gärtnermeister die Pflanzen, deshalb heißt sein Betrieb auch Grüngestaltung. „Pflanzen sind unser Leitmotiv, um sie herum sortieren wir dann alles für den Garten Notwendige: Pflaster, Holz, Wasser, Naturstein, das ganze Programm“, schwärmt er. „Meine Vision ist keine Abtrennung von der Natur, sondern wir versuchen, die Gärten der Landschaft hier anzupassen.“

Eine echte Herausforderung angesichts des rauen Klimas, der strengen Winter und starken Westwinde. Die sandige Dünenlandschaft prägt das Bild, damit muss man arbeiten. Deshalb wird nie der komplette Boden ausgetauscht, alte Gehölze werden eingebunden und durch klimaresistente ergänzt.

Harm Dierk Wellmann

„Ich bin Gärtner mit Herz, Blut und Verstand.“

25 Jahre Insel- und Küstengärtner „Schoon Grüngestaltung“

Seit 1996 betreibt der gebürtige Oldenburger in Wittmund seinen eigenen GaLaBau-Betrieb „Schoon Grüngestaltung“. Seine Frau Ilka unterstützt in der Betriebsführung und kümmert sich um die Buchhaltung. 2021 gibt es das aus einer Baumschule hervorgegangene Unternehmen seit 25 Jahren. Eine große Feier wird es erst einmal nicht geben – wegen Corona.

Anfangs war Wellmann mit drei Mitarbeitern am Start, inzwischen sind es 20. Das Gros der Kundschaft ist Stammkundschaft, die meisten mit Privatgärten. An der Küste und auf den Inseln. Und weil die Gegend vom Tourismus lebt, erhält Wellmann auch viele Aufträge von Hotels und Gaststätten. Sie alle schätzen seine langjährige Erfahrung mit den örtlichen und klimatischen Gegebenheiten.

„Ich bin gestern noch gefragt worden, ob man hier nicht eine Blumenwiese anlegen könnte. Insektenfreundliche Pflanzen, Vogelnährgehölze: Das ist ein positiver Trend, den ich grundsätzlich gut finde“, sagt Harm-Dierk Wellmann. „Man hat ja die Vorstellung, aus einem Rasen mal eben eine Blumenwiese machen zu können. Da muss ich dann allerdings darauf hinweisen, dass wir in Ostfriesland oft sehr schwere Böden haben und ein Steingarten deshalb einfacher anzulegen ist als eine Blumenwiese.“

„Wenn ich durch die Inselstraßen gehe, sehe ich überall meine Fußabdrücke.“

Fachkräfte binden? Nur wer sich wohlfühlt, bleibt.

Gärten auf Inselsand zu bauen, ist nicht die einzige Herausforderung für Wellmanns GaLaBau-Betrieb. Im dünnbesiedelten Ostfriesland ist es auch nicht leicht, gutes Personal zu finden und vor allem zu halten. „Der Beruf der Landschaftsgärtnerin und des Landschaftsgärtners ist hier nicht so bekannt“, bedauert Wellmann. „In Hamburg oder Oldenburg findet man viel mehr GaLaBau-Betriebe. Und die Einheimischen haben oft die traditionelle Einstellung, lieber selbst zu gärtnern.“

Wellmann ist froh, im Verband organisiert zu sein und von dessen Werbekampagnen profitieren zu können. Das verleiht seinen Stellengesuchen mehr Sichtbarkeit und erhöht die eingehenden Anfragen. Derzeit hat er genügend Fachkräfte, um mit sechs Kolonnen täglich rausfahren zu können.

Schoon Grüngestaltung ist der einzige Ausbildungsbetrieb im Kreis, jährlich lernen hier vier, fünf Azubis. Was Wellmann Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass seine Auszubildenden zwar im Schnitt noch zwei, drei Jahre als Gesellen bei ihm bleiben, sich dann aber wegorientieren. Entweder, um die Meisterschule in Bad Zwischenahn-Rostrup zu besuchen oder um beispielsweise in den öffentlichen Dienst zu gehen. „Es wird immer schwieriger, die jungen Leute zu halten. Bei Auftragsspitzen mal vier Sonnabende hintereinander zu arbeiten, mit dem gesamten Team, das ist fast ausgeschlossen. Auch Überstunden sind nicht mehr so angesagt wie früher“, stellt Wellmann bedauernd fest. Zugleich hat er Verständnis und gibt sich pragmatisch: Darauf müsse man sich eben einstellen und die Abläufe entsprechend organisieren. Umso mehr achtet er darauf, das Arbeitsumfeld seiner Beschäftigten so angenehm wie möglich zu gestalten, etwa durch Urlaubsausgleich wegen der langen Wegstrecken hinüber zu den Inselbaustellen. Nur wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen, genug Raum für ihre individuellen Begabungen und Ideen erhalten, können sie langfristig an den Betrieb gebunden werden – da ist sich Wellmann sicher. Dass seine Strategie aufgeht, zeigt das Beispiel seines langjährigen Mitarbeiters Ashoka Gunasinghe-Ruhe, der inzwischen eine unverzichtbare Stütze im Betrieb geworden ist.

Azubis

„Ausbildung war von Anfang an unser Steckenpferd.“

Karriere trotz anfänglicher Sprachbarrieren

Ashoka Gunasinghe-Ruhe kam 2008 auf der Suche nach einem Praktikum zu Schoon Grüngestaltung. In seiner Heimat Sri Lanka hatte er bereits als Englischlehrer gearbeitet, an seiner dortigen Schule lernte er seine deutsche Frau kennen. Zusammen gingen sie zurück nach Deutschland, gründeten eine Familie.

Ashoka Gunasinghe-Ruhe büffelte Deutsch und betreute den kleinen Sohn. Mit Harm-Dierk Wellmann und dessen Team verstand er sich auf Anhieb. Weil er sich schon für sein Abitur in Biologie mit Pflanzen beschäftigt hatte, beschloss er, eine zweijährige Ausbildung zum Landschaftsgärtner zu machen. „Der Anfang war schwierig“, erinnert sich Ashoka Gunasinghe-Ruhe, „einmal wegen der Sprache, ich habe nicht immer verstanden, was die Kunden wollten. Dann wegen des Wetters, vor allem wegen der strengen, kalten Winter. Aber der Chef und die Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett, sie haben mich immer unterstützt.“ Nach abgeschlossener Prüfung bleibt er im Betrieb, fühlt sich gut integriert. Die anfänglichen Sprachbarrieren hat er zu einem großen Teil überwunden.

„Wir hatten schon häufiger Menschen aus dem Ausland in der Firma“, sagt Harm-Dierk Wellmann. „Das hat mal gut, mal weniger gut geklappt. Grundsätzlich sind wir sehr aufgeschlossen.“ Von Ashoka Gunasinghe-Ruhe ist er begeistert. Nach seinen Gesellenjahren legte er 2017 auch noch die Meisterprüfung ab.

„Ashoka Gunasinghe-Ruhe: „Ich gebe meine Kenntnisse gerne an junge Menschen weiter. Um ihr Interesse an Pflanzen zu wecken, führe ich sie auch schon mal in ein Arboretum oder in den Park der Gärten.“

Ashoka Gunasinghe-Ruhe leitet Azubis bei Pflanzungen oder Anlage eines Friesenwalls an

Diversität kann für Teams sehr bereichernd sein

Inzwischen hat der 45-Jährige es geschafft, seine frühere Erfahrung als Lehrer mit seinem jetzigen Beruf zusammenzuführen: Als Ausbilder leitet er die jungen Azubis auf den Übungsflächen an, bereitet mit ihnen die Prüfungen vor, versucht ihr Interesse für Pflanzen zu wecken, indem er sie bei einem Ausflug in Baumschulen, Staudengärtnereien oder den Park der Gärtner führt.

„Es macht mir viel Freude, meine Kenntnisse an junge Leute weiterzugeben“, sagt Ashoka Gunasinghe-Ruhe. „Sie sollen nicht nur die Baustellen erleben, sondern auch privat zusammenwachsen.“ Harm-Dierk Wellmann ist stolz, dass sich sein einstiger Azubi als Meister und Ausbilder so gut in den nicht immer einfachen ostfriesischen Arbeitsalltag integriert hat. „Menschen, die sich engagieren wollen, sind bei uns immer willkommen“, betont Wellmann, „ganz egal, welchen kulturellen oder ethnischen Hintergrund sie haben. Ich sehe das als Bereicherung. Gerade im Landschaftsbau, wo wir mit der Natur arbeiten. Da kann jemand Erfahrungen aus seinem Heimatland einbringen.“

2015 hatte Wellmann auch junge Syrer in Ausbildung genommen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Sie blieben vier Jahre lang, haben sich dann aber beruflich anders orientiert. „Das war nicht immer einfach, das Klima hier ist rau, die Anforderungen sind meist deutlich höher als in ihrem Heimatland. Manche tun sich schwer mit unseren Tugenden wie Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, weil sie das so nicht kennen“, berichtet Wellmann. Das müsse man dann erst einmal vermitteln. Aber mit etwas Zuwendung und persönlichen Gesprächen hat es in den meisten Fällen funktioniert. Ashoka Gunasinghe-Ruhe sagt rückblickend, er habe immer einen starken Willen gehabt, sich zu integrieren. Die festen Strukturen hält er mittlerweile für die Zusammenarbeit, besonders mit einer sehr anspruchsvollen Kundschaft, für sehr wichtig. Lachend erzählt er von den Kommentaren seiner Familie in Sri Lanka, wenn er zu Besuch kommt: „Du bist aber pünktlich, Ashoka! Das ist ja richtig anstrengend mit dir!“

Ashoka Gunasinghe-Ruhe bei Wasserarbeiten bzw. an „seinem“ Teich nahe Aurich

„Die Leute wollen Pools und Teiche, sie können ja gerade nicht reisen. Ashoka hat da eine besondere Begabung im Umgang mit Wasser und Steinen.“

Wellness-Gärten sind ein neuer Trend

Neben der Tätigkeit als Ausbilder hat Ashoka Gunasinghe-Ruhe auch inhaltlich neue Akzente gesetzt – etwa bei den Teichanlagen. „Ashoka hat eine große Gabe, mit Natursteinen und Wasser umzugehen. Koi-Teiche, Bachläufe, das ist einfach sein Ding“, schwärmt Wellmann. „Kundinnen und Kunden fragen hier auch öfter einen Friesenwall an. Da müssen große Findlinge aufeinandergeschichtet werden, was nicht so einfach ist. Ashoka schaut sich die Steine an und findet gleich die zueinander passenden. Wie bei einem Mosaik!“

Ashoka Gunasinghe-Ruhe findet das selbst nicht ungewöhnlich, er habe eben schon als Kind oft mit Steinen gespielt. Wellmann ist es gelungen, gute Mitarbeiter wie Ashoka über die Jahre zu halten. Auch viele seiner Kundinnen und Kunden halten ihm die Treue. Er wird als Spezialist für Insel- und Küstengärten wahrgenommen.

Neuester Trend sind Wellness-Gärten, denn durch die Corona-Pandemie können die Menschen nicht reisen. Immer öfter werden deshalb Schwimmteiche und Pools für die Gärten nachgefragt.

„Grüne Fußabdrücke“ in den Gärten der Inseln

Auch Gemeinschaft wird nach Corona wieder stark gefragt sein, davon ist Harm-Dierk Wellmann überzeugt. Auf Spiekeroog hat Schoon Grüngestaltung im vergangenen Jahr einen Erlebnisgolfparcours angelegt – mitten im Dorf. Jetzt ist er aufgrund der Hygienebestimmungen verwaist. Bis die Gäste wiederkommen dürfen, spaziert Harm-Dierk Wellmann durch die Inselstraßen und freut sich darüber, hinter jedem Gartenzaun seine „grünen Fußabdrücke“ zu erkennen. Denn Erholungsuchende sollen hier nicht nur Strand, sondern auch viel Grün vorfinden, so lautet das Marketing-Credo der Inseltouristik. Und dazu hat Harm-Dierk Wellmann jede Menge beigetragen.

Carsten Peters2022-11-08T13:46:18+01:00
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