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Frank Bechstein aus Kriftel im Taunus war ein Pionier der Baumpflege in Deutschland und einer der ersten deutschen Baumkletterer. Das Berufsbild hat sich seitdem stark verändert, doch Bechsteins Leidenschaft für Bäume und sein Gefühl für ihre Bedürfnisse sind geblieben.

„Bäume sind Lebewesen.“ Diesen Satz sagt Frank Bechstein immer wieder. Bäume faszinieren ihn nach etwa 40 Jahren als Baumpfleger wie am ersten Tag. Er bewundert ihre Fähigkeit, sich immer wieder an die gegebenen Bedingungen anzupassen, ohne dass sie ihren Standort wechseln können, und dabei so alt zu werden. Bechsteins Liebe zum Baum, sein Wissen und seine jahrzehntelange Erfahrung ermöglichen es ihm, Bäume „zu lesen“. Borke, Wuchsgestalt und viele andere Faktoren sagen ihm, ob es ihnen gut oder schlecht geht und ob es sinnvoll ist, einzugreifen. „Das Gefühl für die Bäume ist wichtig“, betont er. „Sonst kann man sie nicht gut pflegen.“

 „Auf Bäume zu klettern, ist der Traum jedes kleinen Jungen. Es war die Erfüllung, das zum Beruf zu machen.“

Bechsteins Liebe zum Baum, sein Wissen und seine jahrzehntelange Erfahrung ermöglichen es ihm, Bäume zu „lesen“.

Der Anfang beim „Baumchirurgen“

Diese Nähe zu Bäumen hat Frank Bechstein von jeher, und so spezialisierte er sich gleich nach seiner Ausbildung zum Landschaftsgärtner auf die Baumpflege. Dabei spielte eine glückliche Fügung eine Rolle: Ende der 70er-Jahre zog ein US-Amerikaner just in den Wohnort von Frank Bechstein, die Gemeinde Kriftel im Taunus bei Frankfurt/ Main. Er brachte aus seiner Heimat die damals so genannte „Baumchirurgie“ mit, eine in Deutschland noch weitgehend unbekannte Disziplin. Frank Bechstein war gleich fasziniert, bewarb sich in dem Betrieb und wurde genommen.

So kam es auch, dass er einer der ersten Baumkletterer Deutschlands wurde – damals noch mit einfachsten Kletterseilen, aber mit größter Begeisterung. „Auf Bäume zu klettern, ist der Traum jedes kleinen Jungen. Es war die Erfüllung, das zum Beruf zu machen, etwas Besseres kann es gar nicht geben“, schwärmt er noch heute.

Know-how aus den USA und England

Die praktischen Arbeiten lernte Frank Bechstein von seinem Arbeitgeber sowie von anderen amerikanischen und englischen Kollegen, die in Deutschland arbeiteten. Ab 1985 bildete er sich durch Fernlehrgänge aus Amerika weiter. In der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Heidelberg legte er 1986 dann die Prüfung zum staatlich geprüften Baumpfleger ab.

Sieben Jahre lang arbeitete Bechstein als angestellter Baumpfleger, dann ging sein Chef zurück in die USA und übergab ihm den Betrieb. Zunächst war es eine One-Man-Show, mit einem alten VW-Bus und den schon erwähnten einfachen Kletterseilen als wesentlicher Ausrüstung. Doch schon bald konnte er Mitarbeiter einstellen und die Ausstattung verbessern. Heute verfügt das Unternehmen über einen modernen Fuhrpark und eine 3.000 m² große Lagerfläche mit Material und Hightech-Maschinen. Ein 25-Personen starkes Team kümmert sich mit viel Fachwissen um die Baumbestände von Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften, Gewerbe- und Privatkunden.

„Das Gefühl für die Bäume ist wichtig. Sonst kann man sie nicht gut pflegen.“

Die Branche wird erwachsen

Nicht nur der Betrieb „Bechstein Baumpflege“, auch die Arbeit selbst hat sich seit der Zeit, als sie noch „Baumchirurgie“ hieß, sehr verändert. Damals gab es noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, was den Bäumen hilft, und so waren diverse Maßnahmen üblich, die nach heutigem Kenntnisstand kontraproduktiv sind. Zum Beispiel wurden oft tiefe Einschnitte mit der Motorsäge gemacht, um Fäulnis zu entfernen, oder Gewindestangen zur Stabilisierung ins Holz getrieben. Obwohl die Bäume durch solche Maßnahmen zum Teil nachhaltig beschädigt wurden, hält Frank Bechstein diese Phase des Ausprobierens für sehr wichtig: „Viele verfluchen jetzt, was damals gemacht wurde. Aber diese Erfahrungen waren die Grundlage für die wissenschaftliche Forschung. Auf diese Weise hat es letztlich eine positive Entwicklung gegeben, zum Wohl der Bäume.“

Weniger ist oft mehr

Heute weiß man, dass weniger oft mehr ist: Bäume werden zurückhaltender beschnitten. Man achtet mehr auf den Boden und das Umfeld des Baums und optimiert dort. Kronensicherungen werden schonender durchgeführt, indem man Kunststoffseile in Schlaufen um den Baum legt, statt die Äste zu durchbohren.

Noch etwas hat sich an der Tätigkeit verändert: Beschränkten sich die Aufgaben von Bechstein Baumpflege zunächst auf Baumpflege und -fällung, sind heute auch Baumkontrollen auf Verkehrssicherheit und die Erstellung von Gutachten ein fester Teil des Leistungsspektrums.

Baummanagement: das Rundum-Sorglos-Paket

Ein besonderes Angebot des Betriebs ist das Baummanagement, das vor allem Wohnungsbaugesellschaften in ganz Deutschland gerne in Anspruch nehmen: ein Rundum-Sorglos-Paket, in dem die Komplettbetreuung des gesamten Baumbestands zu einem Festpreis pro Baum enthalten ist. Jeder Baum wird regelmäßig auf seine Verkehrssicherheit kontrolliert, gegebenenfalls gepflegt und – falls er nicht mehr zu retten ist – gefällt. An seiner Stelle wird dann ein neuer Baum gepflanzt. Die Auftraggeber und -geberinnen müssen sich um nichts kümmern und können zudem jederzeit nachweisen, dass professionelle Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden.

„Bäume sind Lebewesen.“

Frank Bechstein war einer der ersten Baumkletterer Deutschlands.

Neue Aufgaben aufgrund von Klimaverschiebungen und Globalisierung

Durch die aktuellen Klimaveränderungen wandelt sich das Berufsbild der Baumpfleger erneut. Die heißen, trockenen Sommer und die immer häufiger auftretenden schweren Stürme setzen den Bäumen zu. Sie bilden vermehrt Trockenholz aus, das nicht verkehrssicher ist und herausgeschnitten werden muss. Und wenn Bäume ganz absterben, was gerade bei Fichten oft der Fall ist, müssen sie schnell gefällt werden.

Zugleich werden die geschwächten Bäume anfälliger für Schädlinge und Krankheiten wie den Borkenkäfer bei Fichten, die Rußrindenkrankheit beim Ahorn, den Asiatischen Laubholzbockkäfer oder den Eichenprozessionsspinner. Viele dieser Schädlinge sind erst in jüngerer Zeit in unseren Breiten aufgetaucht, oft als blinde Passagiere in Gütertransporten aus weit entfernenten Weltregionen.

Ist ein Baum krank oder befallen, muss ein großer Aufwand betrieben werden. Ein Ahorn mit Rußrindenkrankheit kann zum Beispiel nur in Schutzausrüstung gefällt werden. Denn es werden Pilzsporen freigesetzt, die, wenn eingeatmet, giftig für den Menschen sind. Das Holz kann nicht einfach gehäckselt werden, sondern wird, in speziellen Säcken verpackt, direkt zur Verbrennung gebracht. Bechstein hat noch Glück, überhaupt eine Deponie in der Nähe zu haben, die diese Lieferungen annimmt.

Die Wissenschaft ist gefragt

All das gab’s früher nicht. „Das ist der Wandel der Zeit. Wir müssen uns darauf einstellen“, sagt Frank Bechstein ganz pragmatisch. Er verfolgt gespannt die aktuellen Studien zum Thema: „Die Wissenschaft muss nun Baumarten finden, die mit den veränderten Bedingungen klarkommen, und der grünen Branche Handlungsempfehlungen geben.“ Als besonders dringend sieht er das bei den Stadtbäumen, die zusätzlich auf stark eingeschränktem Raum leben müssen.

Durch die aktuellen Klimaveränderungen wandelt sich das Berufsbild der Baumpfleger.

Erfolgsfaktoren Weiterbildung und Austausch

Für Frank Bechstein ist es von jeher selbstverständlich, auf dem Laufenden zu bleiben, sein Fachwissen in Fortbildungsveranstaltungen ständig zu erneuern. Das hält er für einen ebenso wichtigen Erfolgsfaktor in seinem Metier wie das Gefühl für Bäume, Ausdauer, Beharrlichkeit und ein gewisses betriebswirtschaftliches Talent.

Daneben sieht er auch die Mitgliedschaft im Verband Garten- u. Landschaftsbau, in dem er sich schon seit 1991 engagiert, als unverzichtbar an. „Wir Gärtner müssen zusammenhalten“, betont er. „In einem starken Verband haben wir ein ganz anderes Standing gegenüber Politik und Wirtschaft als ein Einzelner.“ Jeder, der möchte, dass sich die Branche weiterentwickelt, sollte deshalb im Verband organisiert sein, findet Bechstein. Sehr wichtig sind ihm auch die Seminare und die vielen Veranstaltungen des Verbands, auf denen er mit Kolleginnen und Kollegen zusammenkommt und Erfahrungen austauscht. Und dass er sich mit Fragen, zum Beispiel rechtlicher Natur, immer an den Verband wenden kann. „Das ist wie in einer großen Familie“, sagt Bechstein.

Auch eine seiner beiden Töchter, Geraldine Bechstein, war schon für den Verband aktiv: Nach ihrer Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin studierte sie Landschaftsarchitektur und warb parallel zum Studium auf Ausbildungsmessen für die grünen Berufe. Ihr breites Wissen kam ihr dabei zugute. Frank Bechstein betont zudem, dass sie gerade als Frau besonders gut für diese Einsätze geeignet war, da sie so auch ganz gezielt die Frauen ansprechen konnte: „Viele denken immer noch, Landschaftsgärtner sei ein Männerberuf, dabei ist er auch für Frauen super geeignet.“

„Viele denken immer noch, Landschaftsgärtner sei ein Männerberuf, dabei ist er auch für Frauen super geeignet.“

Frank Bechstein und seine Tochter Geraldine begeistern für den Beruf.

Auszeichnung „Der Goldene Schnitt“

Speziell für eine bessere Wahrnehmung der professionellen Baumpflege setzt sich die Plattform baumpflegeportal.de ein. Sie möchte Baumbesitzer und Fachwelt darüber aufklären, worauf es bei guter Baumpflege ankommt. Zu diesem Zweck verleiht sie seit 2015 alle zwei Jahre den Baumpflegepreis „Der Goldene Schnitt“ an einen Betrieb, der eine gelungene Schnittmaßnahme medienwirksam darstellt. Bechstein landete gleich beim ersten Mal auf Platz 1 – mit einem Video, das in Zeitraffer den Schnitt einer 22 m hohen Platane zeigt, und der dazugehörigen Projektbeschreibung. Beides kann auf der Website des Betriebs aufgerufen werden (www.bechstein-baum.de). Auch 2017 gehörte das Unternehmen zu den Gewinnern.

„Diese Art von Öffentlichkeitsarbeit ist dringend notwendig“, unterstreicht Frank Bechstein. „Es wird so viel Schindluder betrieben! Man sieht immer wieder, dass Bäume falsch beschnitten werden, regelrecht verstümmelt. Dadurch werden sie oft irreparabel beschädigt.“

Erste Überlegungen zur Betriebsübergabe

Umso wichtiger sind die Fachbetriebe, in denen das Handwerk mit viel Wissen und Einfühlungsvermögen verrichtet wird. Um sicherzustellen, dass Bechstein Baumpflege auch zukünftig zu ihnen gehört, denkt Frank Bechstein bereits über eine gute Nachfolgeregelung nach. Seine Töchter werden den Betrieb nicht übernehmen, auch Geraldine nicht, die lieber kreativ tätig ist und bei einem Planer in Zürich arbeiten wird. Eine Entscheidung, für die Frank Bechstein volles Verständnis hat.

Stattdessen ist geplant, das Unternehmen an verdiente Mitarbeiter zu übergeben, die es eigenverantwortlich weiterführen. Frank Bechstein möchte als beratender Teilhaber mitwirken und sein Engagement langsam zurückfahren. Zwei Mitarbeiter sind an diesem Modell interessiert, und es laufen schon Überlegungen, wie der Betrieb dafür umstrukturiert werden muss, welche Vollmachten zu erteilen sind und dergleichen. Beizeiten werden die Mitarbeiter nach und nach auch bei der Kundschaft offiziell als Nachfolger eingeführt.

Doch so weit ist es noch lange nicht. Denn Baumpfleger ist für Frank Bechstein nach wie vor der schönste Beruf der Welt. Zwar klettert er nicht mehr selbst, aber mit den ältesten Lebewesen auf unserem Planeten zu arbeiten, macht ihn nach wie vor glücklich.

https://bechstein-baum.de/

Veröffentlicht am 11.2020
Marco Wolpert2023-12-22T10:27:36+01:00
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