Unternehmerin im Garten- und Landschaftsbau: Hier beraten Frau Bauer & Frau Bauer

Eine Unternehmerin ist im Garten- und Landschaftsbau noch immer in der Minderheit. Von den fast 7.500 Azubis, die bundesweit aktuell den Beruf Landschaftsgärtner*in lernen, sind Schätzungen zufolge maximal 25 Prozent Frauen. Anja und Verena Bauer beweisen mit ihrem GaLaBau-Betrieb in der Lutherstadt Wittenberg, dass Frauenpower auch in einem männerdominierten Berufsumfeld zum Erfolg führen kann – auch wenn dabei mitunter noch typische Vorurteile aus dem Weg zu räumen sind.

Es gibt sie vereinzelt noch, Anrufe wie diese im GaLaBau-Betrieb Bauer & Co.: Ein älterer Herr fragt Verena Bauer, ob er mal den Chef sprechen könne? Am Apparat, antwortet diese. Kurze Pause am anderen Ende der Leitung. Dann: „Ich habe eine Fachfrage, ich weiß nicht, ob Sie sie beantworten können. Vielleicht fragen Sie doch noch mal die Kollegen.“ Verena Bauer bleibt gelassen und erkundigt sich nach seinem Anliegen. Er verlege gerade Fallschutzplatten aus Gummigranulat in seinem Garten, erklärt der Anrufer, der bislang nicht zur Bauer-Kundschaft gehört. Die müsse er zuschneiden und wolle nun wissen, wie der GaLaBau-Betrieb das mache. Sein Versuch mit dem Winkelschleifer sei gescheitert. „Nehmen Sie die Stichsäge“, rät Verena Bauer. „Mit dem Winkelschleifer geht es zu schnell, das schmirgelt weg, fängt an zu stinken und verklebt!“ Genau das habe er auch schon festgestellt. Er bleibt dennoch skeptisch: „Sollen wir vielleicht doch nochmal einen Kollegen fragen?“

Doppelte Frauenpower in männerdominiertem GaLaBau

Selbstbewusst antwortet Verena Bauer: „Nicht nötig. Nehmen Sie einfach die Stichsäge!“ Denn die gelernte Diplom-Ingenieurin der Fachrichtung Landespflege weiß, wovon sie spricht. Bereits mit 14 Jahren jobbte sie im Sommer auf den Baustellen des väterlichen GaLaBau-Betriebs in der Lutherstadt Wittenberg. Heute leitet sie mit ihrer älteren Schwester Anja den gesamten Betrieb.

„Wir könnten auch sagen, unser Vati ist das ‚Mädchen für alles‘. Wenn wir dringend Unterstützung brauchen, ist er zur Stelle.“

Mit Vorurteilen gegenüber Frauen in diesem Berufsfeld haben sie heute nicht mehr so oft zu kämpfen, längst haben sich die beiden Frauen ihr Terrain erobert und einen treuen Kundenstamm aufgebaut. Mittlerweile hat sich Vater Norbert Bauer aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Schließlich weiß er den Betrieb in allerbesten Händen. Offiziell ist er noch technischer Mitarbeiter. „Wir könnten auch sagen, unser Vati ist das ‚Mädchen für alles‘ “, lacht Anja Bauer. „Wenn wir dringend Unterstützung brauchen, ist er zur Stelle. Dann holt er Pflanzen von der Baumschule ab, repariert Maschinen. Zuerst war er ja als Maschinenbauingenieur tätig. Heute schaut er immer mal vorbei, ob es was zu tun gibt für ihn. Ansonsten hält er sich raus und genießt seinen Ruhestand.“

Die Schwestern Anja und Verena Bauer mit Vater Nobert in der Mitte

Die Schwestern Anja und Verena Bauer mit Vater Nobert

„Vaters Devise war immer: Die Jungen müssen auch ran. Und wir Älteren müssen ihnen Chancen geben!“

Die Familiennachfolge hat sich erst nach und nach ergeben

In der Familie Bauer galt es nicht als ausgemacht, dass die Töchter den vom Vater gegründeten GaLaBau-Betrieb übernehmen. Das hat sich so ergeben, erzählen die Schwestern. Sie sitzen harmonisch nebeneinander in ihrem Büro, sehen sich nicht nur zum Verwechseln ähnlich, sondern tragen auch ähnliche Pullis und Frisuren. Ihr Vater hat nach der Wende als gelernter Elektriker und Maschinenbauingenieur nach einem Weg aus der zu erwartenden Arbeitslosigkeit gesucht. Eigentlich wollte er eine Elektrofirma gründen. Doch die Stadtverwaltung suchte damals dringend jemanden, der die Spielplätze saniert. Da überlegte Norbert Bauer nicht lange und machte sein Gartenhobby zum Beruf. Drei weitere ehemalige Arbeitskollegen waren bereit, mit Norbert Bauer eine Offene Handelsgesellschaft zu gründen: die Bauer & Co OHG.

Zwei Chefinnen, ein GaLaBau-Betrieb: die Bauer & Co OHG

Das war 1990. Anfangs reichten ein paar Schippen, eine Schubkarre, ein PKW-Anhänger, ein Skoda S 100. Zu DDR-Zeiten haben alle handwerklich mit angepackt, die Sparte Garten- und Landschaftsbau gab es in dieser Form noch nicht – und damit auch wenig Konkurrenz. Damals war die Berufserfahrung nicht entscheidend, solange man sich einfach traute, etwas Neues auszuprobieren, erinnern sich die beiden Schwestern. Denn ihr Vater hatte weder Erfahrungen mit einer Kalkulation noch wusste er, was ein Leistungsverzeichnis ist. Deshalb holte er sich Hilfe – bei einem alten Straßenbauer aus Wittenberg. Die ersten Aufträge waren Spielplätze und Schulhöfe. Dann kam ein großer Pflanzauftrag – Pflanzenwissen war gefragt. Norbert Bauer entschloss sich zu einer Gärtnerausbildung, neben der Arbeit, an den Wochenenden. 1999 schloss er mit dem Meister ab.

Nach dem Abitur hatte seine älteste Tochter Anja im väterlichen Betrieb ebenfalls eine Ausbildung zur Gärtnerin angefangen. Das hatte ihr der Berufsberater empfohlen; von alleine wäre sie nicht auf die Idee gekommen. Weder ihr Vater noch sie wussten zu diesem Zeitpunkt, ob der Familienbetrieb eine Zukunft vor sich hatte. Als ihr Vater 1999 den letzten der drei Mit-Gesellschafter verabschieden musste, weil die Zusammenarbeit nicht mehr gut lief, war seine älteste Tochter gerade mit der Ausbildung fertig.

„Unser Führungsstil unterscheidet sich nur dadurch, dass meine große Schwester an Ostern oder Nikolaus allen im Team ein paar Süßigkeiten hinstellt, so wie zu Hause ihren Kindern.“

Anja und Verena Bauer bei der Arbeit

Die Schwestern Anja und Verena Bauer

Plötzlich Chefin im GaLaBau-Betrieb: „Da habe ich schwimmen gelernt“

Anja Bauer wurde zweite Gesellschafterin, arbeitete weiter im Betrieb mit und machte berufsbegleitend ebenfalls ihren Meisterabschluss. Noch gut in Erinnerung ist ihr der erste Baustellenbesuch: Damals war sie Anfang 20, es ging um einen großen Auftrag für ein Krankenhaus, bei dem die kompletten Außenanlagen errichtet werden sollten . Da der Vater keine Zeit hatte,  schickte er seine älteste Tochter auf die Baustelle zur Bauberatung. „Da saßen 15 Handwerker, nur Männer“, erinnert sich Anja Bauer. „Erst einmal habe ich mich unwohl gefühlt. Doch zum Glück haben der Architekt und der Bauleiter alle gleichbehandelt und auch mal klare Ansagen gemacht, wenn blöde Sprüche fielen. In solchen Situationen habe ich ‚Schwimmen‘ gelernt.“

„Als Familie muss man zusammenhalten. Irgendwie geht es immer.“

1999 startete dann auch die jüngere Schwester Verena nach dem Abitur ihre Ausbildung im väterlichen Betrieb. „Viele raten ja davon ab, bei den Eltern zu lernen“, sagt Verena. „Für uns war es gut! Wir wussten, dass unser Vater hohe Ansprüche stellt, da konnte man nichts schleifen lassen. Und die anderen haben immer beobachtet, wie sich die Töchter vom Chef so anstellen.“

Diplomierte Landschaftspflegerin

Sie schließt noch ein Studium der Landschaftspflege an der Fachhochschule Dresden-Pillnitz an. Ihre Diplomarbeit schreibt sie zwischen Kundentelefonaten und Baustellenbesuchen, denn ihre Schwester Anja ist inzwischen Mutter geworden. Bei Engpässen springt diese auch mit Baby ein. „Das war stressig, aber als Familie muss man zusammenhalten. Irgendwie geht es immer“, sagt Verena rückblickend.

Um die 20 Angestellte hatte der väterliche Betrieb damals. Heute sind es noch 5, und die Schwestern sind froh, dass der Betrieb kleiner und damit einfacher zu managen ist. Die Auftragsstruktur hat sich gewandelt: weg vom öffentlichen, hin zum privaten Sektor.

GaLaBau-Unternehmerin Verena Bauer auf der Baustelle mit Handwerker

GaLaBau-Unternehmerin Verena Bauer auf der Baustelle

„Bei Beratungsgesprächen haben wir anfangs öfter die Frage gehört: Aber sie haben schon auch männliche Mitarbeiter, die das dann bauen können?“

Familie und Beruf vereinbaren: Mit Unterstützung durch das Umfeld!

Als Norbert Bauer 2016 seinen Chefsessel für die beiden Töchter freimacht, finden diese schnell eine gute Arbeitsteilung: So übernimmt Anja Buchhaltung und Büromanagement, erstellt Pflanzpläne. Sie bezeichnet sich selbst als „Pflanzen-Freak“ und kümmert sich um kleinere Aufträge wie Pflanzung, Neuanlagen von Rasenflächen, Rodung, Heckenschnitt. Dagegen gilt Verenas Leidenschaft weiterhin den Baustellen. Sie plant die Gärten und wickelt die größeren Objekte ab. Bis heute sind beide glücklich, so harmonisch im Team miteinander arbeiten zu können. „Wir kennen ja unsere Stärken und Schwächen von klein auf“, sagt Anja Bauer. „Unser Vorteil ist, dass wir als Geschwister ehrlich sein können. Wir haben immer jemanden, mit dem man sich austauschen kann.“ Verena unterstreicht das: „Unser Vati war ein Alphatier. Davon sind wir auch geprägt. Und das Frauenbild in der ehemaligen DDR war auch ein anderes als in der BRD. Frauen haben immer gleichberechtigt gearbeitet, das hat uns Selbstbewusstsein gegeben. Unser Vater hat sich überall immer dafür eingesetzt, jungen Menschen Chancen einzuräumen.“

Harte körperliche Arbeit gehört dazu

Ihre Schwester Anja weiß aber aus eigener Erfahrung, dass ihr Beruf nicht immer gut mit der Familienplanung zu vereinbaren ist. „Wer diesen Beruf anstrebt, sollte sich bewusst sein, dass es bei der Umsetzung draußen auch um harte körperliche Arbeit geht“, betont Verena. „Bei der Büroarbeit ist es egal, ob jemand mit Pferdeschwanz oder Bart vor dem Computer sitzt. Man muss unbedingt ein Faible für den Beruf haben. Denn es gibt auch Widrigkeiten.“ Die Schwestern wundern sich manchmal über das romantisch-verklärte Berufsbild, dass junge Menschen bei Bewerbungsgesprächen im Kopf haben. Zwar sei der Beruf enorm vielseitig, aber man sei eben immer draußen, egal ob bei 35 Grad in praller Sonne oder bei 2 Grad im Nieselregen. Und die saisonale Arbeit bedeute, dass man von März bis November richtig powern müsse. In Teilzeit ließe sich das aus ihrer Sicht kaum machen. Mit den angesammelten Überstunden könne man dann über den auftragsarmen Winter kommen.

Wer kleine Kinder hat, braucht ein sehr unterstützendes Umfeld, betont Anja Bauer. Ihr Mann ist selbst beruflich sehr eingespannt. Manchmal konnte ihre Mutter sie bei der Kinderbetreuung unterstützen, war jedoch selbst noch berufstätig. Oft musste spontan umorganisiert werden, wenn die Kinder krank waren.

„Wer hier neu reinkommt, kriegt schon im Bewerbungsgespräch mit, dass in diesem Betrieb zwei Frauen das Sagen haben.“

„Frauen legen beim Gärtnern vielleicht mehr Wert auf Ästhetik“

Im Team gibt es eine weitere Frau – sie ist schon seit 25 Jahren im Betrieb. Bei den Auszubildenden liegt der Frauenanteil immer noch deutlich unter dem der Männer. Dennoch seien die Chancen für beide Geschlechter gleich gut, schätzen die beiden Schwestern. Allerdings: Frauen hätten es in diesem Umfeld manchmal auch schwerer, ernst genommen zu werden, so die persönliche Erfahrung der Schwestern Bauer. Als Landschaftsgärtnerinnen müssten sie sich oft viel mehr bewähren als Männer.

„Die Menschen sollen lächeln, wenn sie durch einen unserer schön angelegten Gärten gehen.“

Zwei GaLaBau-Unternehmerinnen auf dem richtigen Weg

Zum Glück seien die Jüngeren da schon viel offener geworden, auch kundenseitig. „Wir denken nicht in diesem Schema ‚höher, schneller, weiter‘, wie manche Männer das tun. Wir müssen uns auch nicht ständig profilieren“, sagt Verena Bauer. Und Anja fügt hinzu: „Wir hören immer wieder, dass wir viel Wert auf Ästhetik legen, dass die Pflasterzuschnitte oft mit besonders viel Raffinesse ausgeführt sind. Wir achten auf kleinste Details und fordern das auch vom Team. Die Menschen sollen lächeln, wenn sie durch einen unserer schön angelegten Gärten gehen.“ Wenn sie dann, ein, zwei Jahre später, E-Mails mit Kundenlob und Gartenfotos erhalten, macht es die beiden Schwestern glücklich. Denn es ist für sie ein Zeichen, dass sie „auf der richtigen Schiene unterwegs sind“.

2020 feierte der GaLaBau-Betrieb Bauer & Co. sein 30-jähriges Bestehen. Auf die Frage, was sein größter Erfolg war, antwortet Firmengründer Norbert Bauer ohne lange zu überlegen: „Meine beiden Töchter!“

(Autorin: Conny Frühauf)

Fotos: Martin Rottenkolber

Carsten Peters2022-12-05T12:33:40+01:00
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