Von der Forschung in die Praxis: „Bewässerungsstrategien in Städten erfordern ein Umdenken!“

Foto: Daniel Westerholt

Vom Landschaftsgärtner zum Professor für Vegetationstechnik im Landschaftsbau: Daniel Westerholt forscht zu Bewässerungsstrategien und Verdunstung kleinräumiger Grünflächen in der Stadt. Beide Themen erfordern eine enge Zusammenarbeit von Landschaftsarchitektur, Garten- und Landschaftsbau, Naturschutz, Planung, Wasserwirtschaft und Bauingenieurwesen – und ein Umdenken.

Herr Professor Westerholt, angesichts verheerender Waldbrände in Europa bleiben Trockenheit, Hitze und Wasserknappheit ein Dauerthema. Welche Lösungsansätze bietet die Forschung?

Bäume und Sträucher bei der Bewässerung bevorzugen

Prof. Daniel Westerholt: Moderne Bewässerungsstrategien erfordern an vielen Stellen ein Umdenken. Zum Beispiel sollten Kommunen und Privatpersonen zunächst den genauen Bewässerungsbedarf für ihre Grünanlagen und Gärten ermitteln. Dazu gibt es bereits Ansätze, etwa in Berlin. Dort wird über ein Bodenmonitoring, das anschließend für alle im Internet zugänglich ist, der Austrocknungsgrad von Böden geprüft. Denn der hängt auch mit unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten zusammen. Zudem braucht es für eine sinnvolle Bewässerung Priorisierungspläne. Grasflächen beispielsweise trocknen schnell aus und werden braun. Sie erholen sich aber nach Niederschlägen auch wieder, also braucht man hier nicht zu bewässern. Anders bei Stauden, Sträuchern und Bäumen: Die brauchen bei anhaltender Trockenheit Wasser. Vor allem Bäume müssen unbedingt erhalten werden, denn sie brauchen sehr lange, bis sie ausgewachsen sind. Deshalb sollten Bäume und Sträucher oberste Priorität bei einer Bewässerungsstrategie haben. Die Pflanzenauswahl sollte aber auch schon klimaresilient sein.

Parkanlage

Bodenmonitorings geben Aufschluss über die Tiefe der Bodenfeuchte. (Foto: Conny Frühauf)

„Nach trockenen Wintern müsste man Bäume im Frühjahr wässern – noch bevor die Blätter austreiben, um gute Startbedingungen zu schaffen.“

Monitoring ermittelt die genaue Bodenfeuchte

Reichen hier nicht einfach Beobachtung und Erfahrungswerte?

Prof. Daniel Westerholt: Beides ist ebenfalls nötig. Doch Monitoring liefert die exakte Bodenfeuchte, denn Wasser kann auch von unten aufsteigen. Außerdem misst man so die Niederschlagsmengen. In der Wissenschaft legen wir bei solchen Messungen z. B. ein Simple-Bucket-, also Eimer-Modell, zugrunde: Wie viel Wasser fließt in den Eimer, und wie viel davon wird über die Pflanzen und den Boden wieder verdunstet? Je nachdem, ob der Boden sandig oder lehmig ist, brauche ich mehr oder weniger Wasser.

Zuletzt war der Winter trocken statt wie gewohnt feucht. Dies kann je nach Region dazu führen, dass im Frühjahr zwar genug Wasser vorhanden zu sein scheint, aber das betrifft dann nur die obersten 30 Zentimeter der Bodenschicht. Und für Bäume reicht das eben nicht. Unter Umständen müsste man Bäume dann im Frühjahr wässern – noch bevor die Blätter austreiben. Allerdings deckt sich diese Strategie nicht mit unseren Erfahrungswerten. Dabei kann Monitoring ein genaueres Bild vermitteln. Der Erhalt von Bäumen und anderen großen Pflanzen oder deren Wiederherstellung sollte oberstes Ziel sein.

„Eine dünne extensive Dachbegrünung von 4 Zentimetern Dicke ist besser als gar keine!“

Auch Dachbegrünungen mit dünnen Substratschichten bieten Retentions- und Verdunstungsflächen bei Starkregen. (Foto: Daniel Westerholt)

Wie könnten weitere konkrete Maßnahmen aussehen, um Dürreperioden auf der einen Seite und Starkregenereignisse auf der anderen besser ins Gleichgewicht zu bringen?

Vielfältige Maßnahmen: von Dach- und Fassadenbegrünung bis Regenwasserspeicher

Prof. Daniel Westerholt: Zum einen sollte die Dachbegrünung stärker in den Fokus gerückt werden. Zwar sind ihre Vorteile im Hinblick auf Biodiversität, als Retentionsfläche bei Starkregen oder Schutz vor Überhitzung bekannt. Dennoch passiert hier zu wenig. Beim Neubau gibt es zum Teil Auflagen, aber die meisten unserer Dächer sind bereits im Bestand! Aufgrund der Statik kommen hier oft nur Dachbegrünungen mit dünnen Substratschichten in Betracht. Allerdings zweifeln viele in der Fachwelt über deren Nutzen. Es ist richtig, dass sie wenig biodiversitätsfördernd sind, aber sie können Starkregen deutlich abbremsen. Deshalb ist eine dünne extensive Dachbegrünung von 4 Zentimetern Dicke besser als gar keine! Zum anderen sollte die Fassadenbegrünung häufiger mitbedacht werden. Bodengebundene Pflanzen mit Kletterhilfe, die die Wuchshöhe begrenzen, machen die Begrünung in Hausgärten, auch für GaLaBau-Betriebe, beherrschbar. Und wir brauchen Fassadengrün vor allem in den unteren drei Metern eines Gebäudes. Dort wird die Verdunstungskühle für Menschen spürbar.

„Wir brauchen Fassadengrün vor allem in den unteren drei Metern eines Gebäudes. Dort wird die Verdunstungskühle für Menschen spürbar.“

Fassadenbegrünungen

Fassadenbegrünungen gibt es in vielen Varianten, so wie hier mit Moos. (Foto: Daniel Westerholt)

Schwammstadt-Prinzip als langfristige Aufgabe

Eine weitere Maßnahme ist die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips, das inzwischen in der Städteplanung mitgedacht wird. Zudem müssen wir Regenwasserspeicher und Retentionsflächen schaffen, wo immer es geht – auch unterirdisch. Das ist eine langfristige Aufgabe, die Umdenken und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Aber auch die Umsetzung der Barrierefreiheit hat mindestens 30 Jahre gedauert – und ist noch immer nicht abgeschlossen. Heute profitieren wir alle davon.

Sie haben mit einer Ausbildung im GaLaBau begonnen. Heute sind Sie Professor für Vegetationstechnik im Landschaftsbau. Wie bringen Sie die Forschung im „Elfenbeinturm“ in die Praxis zurück?

Prof. Daniel Westerholt: Anders als heute war früher eine Ausbildung vor dem Studium der Landschaftsarchitektur Standard. Aber noch immer kommen viele unserer Studierenden an der Hochschule Geisenheim aus der Praxis. Zudem bieten wir viele Weiterbildungsangebote für GaLaBau-Betriebe. Denn es gibt ständig neue Erkenntnisse, etwa beim Umgang mit Wasser und Bewässerung oder bei Bepflanzung und Vegetationstechnik.

Hochschule Geisenheim

Die Hochschule Geisenheim deckt alle Bereiche der Landschaftsarchitektur und des GaLaBau ab und bietet die Möglichkeit eines dualen Studiums mit gleichzeitiger Ausbildung im GaLaBau. (Foto: Hochschule Geisenheim)

„Noch immer kommen viele unserer Studierenden aus der Praxis.“

Fachwissen immer auf dem neuesten Stand halten

Im Übrigen bilden die Regelwerke der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) neueste Forschungsergebnisse gut ab, was GaLaBau-Betriebe nutzen können. Zum Beispiel beim Thema Baumpflanzung: Neben der bekannten Grubenpflanzung gibt es seit langem eine andere, pfiffige Methode, bei der die Wurzeln durch eine spezielle Bauweise mit Bohrungen und belüfteten Bereichen zwei, drei Meter in die Tiefe geleitet werden, um Zugang zum Grundwasser zu erhalten. Hier wird also Wissen aus der Vegetationstechnik in die Praxis überführt. Dabei sind dann Fachleute aus GaLaBau und Planung gemeinsam gefragt.

Können Sie Leuchtturmprojekte nennen?

Prof. Daniel Westerholt: Das Schwammstadt-Prinzip wird in vielen Städten schon berücksichtigt. Bei der Fassadenbegrünung denken viele an Großprojekte wie den Bosco Vertikale in Mailand. Zwar vervielfacht sich hier die Verdunstungsfläche, aber damit auch der Wasserverbrauch bei der Pflege. Trotzdem finde ich solche Vorzeigeobjekte gut. Es wäre jedoch utopisch, ganze Städte so umzugestalten. Allerdings sind für meine Forschung zur Verdunstung städtische Kleinprojekte interessanter. Die Messungen sind nicht einfach, weil an jeder Ecke ein anderes Mikroklima herrscht: Mal pfeift der Wind ums Eck, zehn Meter weiter verdunstet deshalb ein Baum eventuell die doppelte Menge an Wasser.

Verdunstung einberechnen: Wie viel Wasser verbraucht eine Pflanze?

Hier hilft uns die Digitalisierung dabei, große Datenmengen für ganze Stadtteile zu erfassen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz können wir in Zukunft besser ermitteln, welche Kletterpflanzen sich beispielsweise im Hinblick auf Verdunstung, Kühlung, sparsamen Ressourcenverbrauch und Standort eignen. Darüber wissen wir noch nicht genug. Die Fachliteratur und FLL-Richtlinien geben bislang vor allem Auskunft zu Kletterhilfenhöhen, Farbe und Blattbeschaffenheit von Kletterpflanzen oder Verschattungseigenschaften.

„Es gibt ständig neue Erkenntnisse, etwa beim Umgang mit Wasser und Bewässerung oder bei Bepflanzung und Vegetationstechnik.“

Versuchsanordnung für Durchflussmessungen bei versickerungsoffenen Belägen im Lehr- und Forschungsgarten (links, Bautechnik in der Landschaftsarchitektur, Prof. Dr. Thon) und Beregnungsanlage für Abflussbeiwertmessungen bei Dachbegrünungen und auf Tiefgaragenbegrünungen am Institut für Landschaftsbau und Vegetationstechnik (rechts, Vegetationstechnik im Landschaftsbau, Prof. Westerholt). Fotos: Daniel Westerholt

Deshalb brauchen wir noch genauere Forschungsergebnisse zur Verdunstungsleistung von Pflanzen, um mehr Kalkulationssicherheit zu erhalten und weitere Datengrundlagen für wasserwirtschaftliche Simulationen zu schaffen. Darüber hinaus stellt sich die Situation in der Stadt anders dar als auf dem Land. Auch Regionen unterscheiden sich voneinander. Ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit geht es nicht mehr. Wer Expertise bei der Auswertung von Satellitendaten besitzt, hat diese nicht zwingend auch in Pflanzen- und Bodenkunde. Also brauchen wir überall Vernetzung. Denn die enormen Herausforderungen des Klimawandels können nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden.

Zur Person:

Daniel Westerholt ist seit 2023 Professor für Vegetationstechnik im Landschaftsbau im Studienbereich Landschaftsarchitektur und GaLaBau an der Hochschule Geisenheim University. Sein Forschungsschwerpunkt: Verdunstungsgrößen von Dachbegrünungen in Städten und der Wassernutzung am Gebäude. Nach der Ausbildung zum Landschaftsgärtner und mehrjähriger Tätigkeit als Vorarbeiter absolvierte er ein Studium in Landschafts- und Freiraumplanung mit Schwerpunkt Technik an der Leibniz Universität Hannover. Anschließend war er als Anwendungstechniker für Dach- und Fassadenbegrünung, mit Fokus auf Entwässerung, tätig. Weitere Tätigkeiten: gartenbautechnischer Sachbearbeiter bei der Landeshauptstadt Hannover, Herrenhäuser Gärten; wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Universität Hannover sowie Referent beim Bundesverband GebäudeGrün (BuGG).

Foto: Hochschule Geisenheim

Linktipps:

Buchempfehlung:
Stephan Roth-Kleyer (Hrsg.): Bewässerung im Garten- und Landschaftsbau. Ulmer Verlag 2016.

Autorin: Conny Frühauf

Carsten Peters2024-03-15T11:38:06+01:00
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