Wassersensible Planung: „Regenwassermanagement und Biodiversität sollten zusammengedacht werden”
Wassersensible Planung, was bedeutet das, und welche Rolle spielt sie für die Stadtplanung der Zukunft? Ein sensibler und intelligenter Umgang mit der Ressource Wasser ist mit Blick auf die zukünftige Klimaentwicklung für Planungen im Stadtraum wichtiger denn je, sagt Tom Kirsten. Er arbeitet und forscht vor allem im Bereich Regenwassermanagement. Im Interview erläutert der Landschaftsarchitekt, wie eine wassersensible Planung auf kommunaler Ebene aussieht und was der GaLaBau dazu beitragen kann.
Herr Kirsten, welche Rolle spielt wassersensible Planung und insbesondere das Regenwassermanagement aktuell, um den sichtbaren Folgen des Klimawandels im urbanen Raum zu begegnen?
Tom Kirsten: Tatsächlich haben wir einerseits zu wenig Wasser zur Bewässerung, wodurch Stadtbäume und Gärten leiden. Die starke Versiegelung in den Städten verschärft das Problem.
Andererseits nehmen bundesweit Starkregenereignisse zu. Um künftig mit beiden Situationen umzugehen, gibt es den Ansatz der wassersensiblen Planung. Kommunen können diese bei der Aufgabenstellung einfordern – auch bereits in der vorbereitenden Bauleitplanung. Sie können in Bebauungsplänen Regenrückhaltungsmaßnahmen oder Versickerungsmaßnahmen fordern. Auf der nächsten Ebene, der Objektplanung, existieren ebenfalls etliche Instrumente, die man einfordern kann, etwa Überflutungsnachweise. Planerinnen und Planer berechnen dabei, wo und in welchen Mengen Wasser bei Starkregen auf dem Grundstück verbleibt und wie es schadlos zurückgehalten werden kann.
Skateranlage als Regenrückhaltung?
Welche konkreten Maßnahmen können Städte einsetzen, um Regenwasser aufzufangen und sinnvoll zu nutzen?
Tom Kirsten: Kommunen können bei der Objektplanung eine Mehrfachnutzung vorschreiben. Für eine Skateranlage etwa könnte das bedeuten, dass diese auch zur Regenrückhaltung genutzt werden soll. Man kann durchlässige Beläge vorschreiben, die Wasser aufnehmen und versickern lassen. Oder Dachbegrünungen, Mulden, Rasenflächen, Vegetationsbereiche, die Wasser auffangen.
Kommunen können Pflanzenarten vorgeben, mit denen sie etwa bei starker Hitze und Trockenheit gute Erfahrungen gemacht haben. Sie können ihr eigenes Pflegemanagement umstellen und überlegen, welche Pflegemaßnahmen wirklich nötig sind. Die wassersensible Planung bezieht sich nicht nur auf den Umgang mit Wasser, sondern auch auf die Unterhaltung und Pflege von Pflanzen und Grünanlagen. Gerade Kommunen sollten mutig vorangehen und Neues wagen. Denn sie haben eine Vorreiterstellung.
Welche Rolle spielt dabei das Prinzip Schwammstadt?
Tom Kirsten: Beide Begriffe, also die wassersensible Planung und das Schwammstadt-Prinzip, beziehen sich zunächst auf den Umgang mit Regenwasser. Der Begriff Schwammstadt rückt jedoch die Planungsebenen mehr in den Fokus. Dabei geht es um ein stadtplanerisches Herangehen, um einen gesamtstädtischen Ansatz. Dennoch kann das Prinzip auch auf der Objektplanungsebene auf einzelne Maßnahmen heruntergebrochen werden.
Der Begriff Schwammstadt kommt ursprünglich aus China. Andere Länder haben ähnliche Ansätze, denn sie haben auch ähnliche Probleme. Es geht darum, Sturzfluten, die sich durch Versiegelung plus starke Regenfälle ereignet haben, entgegenzuwirken. Ziel ist es, den Niederschlagsabfluss aus besiedelten Bereichen auf das Maß zu begrenzen, das auf unbesiedelten Flächen anfällt. In Zukunft wird dabei der Kaskaden-Ansatz eine wichtige Rolle spielen: Er beinhaltet, dass Verantwortliche auf allen Planungsebenen zum Schwammstadt-Prinzip beitragen. Egal, ob in der Bauleitplanung, Objektplanung oder bei den Gewerken, wie Hochbau, Tiefbau oder Landschaftsbau. Das Schwammstadt-Prinzip basiert auf diesem integrierten Ansatz.
Schwammstadt mit Kaskaden-Ansatz
Was bedeutet dieser Kaskaden-Ansatz im Hinblick auf künftige Planungen, etwa von Grünanlagen, Sportplätzen, aber auch Wohn- oder Gewerbegebieten?
Tom Kirsten: Das beginnt mit einer möglichen Dachbegrünung. Klassische Gründächer, in der Regel Flachdächer, mit Anstaubewässerung und einer gewissen Substratdicke können Regenwasser aufnehmen. Anstaubewässerung bedeutet: Wasser wird mit speziellen Elementen für die Pflanzen zurückgehalten und kann sie in niederschlagsarmen Zeiten versorgen. Man kann das noch verstärken, indem etwa die Dachabläufe gedrosselt werden.
„Es gibt viele kleine Stellschrauben zur Regenwassernutzung, an denen man drehen kann. (...) Städte, Bauherrinnen und -herren werden sich daran gewöhnen müssen, dass man Wasser auf Dächern hält, statt es abzuleiten.“
Da Dächer im Stadtraum nicht dem gleichen Nutzungsdruck ausgesetzt sind wie Plätze, kann man auf ihnen Flächen mit einem ständigen oder zeitweisen Anstau bilden. Etwa eine verdichtete Mulde, die mit ein paar Zentimetern Wasser eingestaut wird und dann erst überläuft.
Regenwasser binden und sammeln, statt es abzuleiten
Es gibt viele kleine Stellschrauben zur Regenwassernutzung, an denen man drehen kann. Herstellerfirmen sind hier ebenso gefordert wie Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner oder Planende. Städte, Bauherrinnen und -herren werden sich daran gewöhnen müssen, dass man Wasser auf Dächern hält, statt es abzuleiten. Die Techniken zur Regenwassernutzung sind an vielen Stellen schon sehr ausgereift. Bei Sportstätten oder Einfamilienhäusern kann Regenwasser beispielsweise in Zisternen gesammelt und anschließend für die Gartenbewässerung, im Hausbereich für die Toilettenspülung oder zum Wäschewaschen genutzt werden. Da gibt es entsprechende Regelwerke.
Darüber hinaus kann man auf der Planungsebene die Freiflächen künftig anders bewirtschaften. Man kann Bordsteine oder Einläufe einfach weglassen, um breitflächige Abläufe zu erhalten. Damit lässt sich der Oberboden besser zur Regenwasserreinigung nutzen. Man kann rohrlos drainieren. Es gibt auch in der Freifläche viele Möglichkeiten, das Wasser länger an der Oberfläche zu halten, anstatt es direkt in die Grundleitung abzuführen. Und schließlich gibt es noch unterirdische Systeme zur Speicherung, etwa Zisternen aus Beton oder Kunststoff.
Begegnen Ihnen beim Thema Regenwassermanagement Vorbehalte?
Tom Kirsten: Ja. Viele Bauherrinnen oder -herren berufen sich auf ihre langjährige Erfahrung. Sie haben gelernt, dass Wasser aus bautechnischen Gründen weg muss. Dieser Grundsatz gilt auch noch. Aber durch die Folgen des Klimawandels kommen neue Aspekte hinzu, denen wir entsprechen müssen.
Regenwassermanagement im Grünflächenamt berücksichtigen!
Ein weiteres Problem ist, dass der Umgang mit Regenwasser nicht immer in den entsprechenden Verwaltungsstrukturen angedockt ist. Entwässerung ist ein ingenieurtechnischer Aspekt. Freiflächenplanende und Grünflächenämter haben das oft nicht im Blick. Sie sehen ihre Aufgabe eher im Entwurf, bei dem die Pflanzenverwendung im Vordergrund steht. Das Thema Entwässerung sollte besser integriert sein. Wer sich als Bauherrin oder Mitarbeiter des Grünflächenamtes mit dem Thema nicht auskennt, kann auf interdisziplinär arbeitende Teams setzen.
Regenwasserbewirtschaftung: GaLaBau-Betriebe können sich als Fachleute positionieren
Welches Spezialwissen brauchen GaLaBau-Betriebe, um künftige Anforderungen an Wassermanagement, Entwässerungsplanung und Pflanzengestaltung zu vereinen?
Tom Kirsten: Mein Eindruck ist, dass bereits allerhand Wissen vorhanden ist. Und die Verantwortlichen haben verstanden, dass wir die Fachleute für den Umgang mit Wasser auf Grundstücken oder in Außenanlagen sind. Und nicht die Fachleute für Heizung, Lüftung, Sanitär oder Hochbauarchitektur.
Der erste Schritt für Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner sollte darin bestehen, Bauherrinnen und -herren für dieses Thema zu begeistern. Wer Pflanzen liebt, ist bereits sensibilisiert, denn man sieht ja, was der eigene Garten braucht.
Sinnvolle Regenwassernutzung spart Kosten
Alle reden derzeit von Regenwasserbewirtschaftung. Wir müssen die Notwendigkeit gar nicht mehr begründen. GaLaBau-Betriebe können Bauherrinnen und -herren daher leichter die Vorteile eines sinnvollen Umgangs mit Wasser nahebringen, damit Gärten und Parkanlagen grün bleiben.
Natürlich spart eine sinnvolle Regenwassernutzung auch Kosten beim Wasserverbrauch. Etliche GaLaBau-Betriebe setzen vieles schon bei sich selber um. Sie können sich mit diesem Zukunftsthema als Fachleute positionieren und das in ihrem Marketing sichtbar machen. In der Beratung können sie ihre eigenen Konzepte zur Regenwasserbewirtschaftung vorstellen, Praxisbeispiele einbringen und Vorschläge machen.
Mehr Angebote für berufliche Fortbildung zu Regenwassermanagement!
Welche Rolle spielt das Thema in der Aus- und Weiterbildung?
Tom Kirsten: In der Ausbildung wird bereits Grundwissen vermittelt, etwa an der Gartenbaufachschule Dresden-Pillnitz, wo ich lehre. Dort führen wir Projekte zur Be- und Entwässerung durch, experimentieren mit verschiedenen Versickerungsvarianten, um Berechnungen an praktischen Beispielen zu ermöglichen. So versuchen wir, bereits die Schülerinnen und Schüler für das Thema zu begeistern.
In der beruflichen Fortbildung existieren noch nicht viele Angebote zum Thema Regenwassermanagement. Einige Landesverbände wollen künftig mehr dazu anbieten. Auch einige Hersteller geben ihr Wissen in Kursen und Materialien rund um Dachbegrünung, Bewässerungssysteme, Versickerungslösungen und Regenwassernutzung weiter.
Sie betreuen seit vielen Jahren Forschungsprojekte zum Thema Regenwassernutzung: Wohin geht die Reise?
Tom Kirsten: Das Thema ist hochaktuell für GaLaBau-Betriebe, Kommunen und auf Länderebene. Während mancherorts die Umsetzung auf sich warten lässt, sind andere bereits seit Jahren aktiv. Hamburg und Berlin zum Beispiel: Hamburg hat das Thema Dachbegrünung mit seiner Gründachstrategie weit nach vorne gerückt – und damit die Umsetzung mit einfachen, aber wirkungsvollen Maßnahmen beschleunigt.
Gründachstrategie mit Regenwassernutzung
Wenn wir auf Dächern Wasser oberflächig zurückhalten, leisten wir damit zugleich einen Beitrag zur Biodiversität. Regenwassermanagement und Biodiversität sollten immer zusammengedacht werden.
Berlin wiederum hat eine Regenwasseragentur, die Bauherrinnen und -herren einen sensiblen Umgang mit Wasser näherbringen soll. Dazu gehört auch die Verpflichtung, Regenwasser auf dem eigenen Grundstück zu belassen. Es gibt dazu viele geförderte und betreute Projekte. Ich finde diesen Ansatz sehr gut.
Im Grunde sollte künftig jede Art von Freifläche daraufhin untersucht werden, ob sie für eine Regenwasserbewirtschaftung nutzbar ist und welchen Beitrag sie zur Biodiversität leisten kann. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir diesen multifunktionalen Ansatz als Bereicherung empfinden und nicht als Verdrängungswettbewerb. Er wird sich auch in den entsprechenden Regelwerken wiederfinden, die derzeit überarbeitet werden. Alle beteiligten Akteurinnen und Akteure sollten diesen Weg gemeinsam weitergehen und damit wichtige Impulse setzen.
Tom Kirsten: Kurzprofil
Tom Kirsten ist Landschaftsarchitekt und Sachverständiger für den Garten- und Landschaftsbau. Er forscht und lehrt seit vielen Jahren zum Thema Regenwassermanagement, unter anderem an der Gartenbaufachschule Dresden-Pillnitz. Er ist auch für das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie tätig. Aktuell betreut er Forschungsprojekte zu den Themen Versickerung und Bepflanzung, Sportplätze als Sickeranlagen, Baumrigolen, Filterstreifen, Verdunstungsbeete und Regengärten. Ehrenamtlich ist Tom Kirsten Mitglied der FLL-Arbeitskreise und -Regelwerksausschüsse Regenwassermanagement, ZTV Pflanzarbeiten und Wassergebundene Wege. Er arbeitet an der Neufassung des DWA-Arbeitsblatts 138 „Versickerung von Niederschlagswasser“ mit, ist Fachsprecher Bautechnik und Normenwesen beim bdla Sachsen und Mitglied im Sachverständigenausschuss der IHK Dresden.