Stadtgrün bedeutet Leben

Rüdiger Dittmar, Leiter des Amts für Stadtgrün und Gewässer in Leipzig, ist seit Mai 2022 Präsident der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz GALK. Im Interview spricht er über seine Ziele, die Bedeutung der GaLaBau-Betriebe fürs Stadtgrün und eine noch bessere Zusammenarbeit in der grünen Branche.

"Ohne Fachbetriebe können Kommunen ihren Zukunftsaufgaben im Bereich Klimaschutz und Artenvielfalt gar nicht gerecht werden."

Was wollen Sie als Präsident der GALK erreichen?

Rüdiger Dittmar: Ich will mich für den Wert des Stadtgrüns einsetzen und in den Kommunen ein Bewusstsein dafür schaffen: Grün-blaue Infrastruktur ist in unseren Städten genauso wichtig wie alle anderen Infrastrukturen. Außerdem will ich deutlich machen: Expertinnen und Experten sind unverzichtbar, um Stadtgrün so zu erhalten, dass es Klima, Umwelt und Mensch nutzt.

Grünflächen und Gewässer brauchen also eine starke Lobby in den Kommunen?

Rüdiger Dittmar: Ja, natürlich. Zwar finden wir als Grünflächen- oder Gartenämter heute mehr Gehör als in den 80er und 90er Jahren. Damals war das vorherrschende Thema in den Verwaltungen: Personalabbau und mit schlanken Strukturen arbeiten. Da ist aus meiner Sicht das Thema Stadtgrün in den Kommunen sehr unter die Räder gekommen und oft fachlich sogar verschwunden. Mittlerweile hat die grün-blaue Infrastruktur wieder einen höheren Stellenwert. Dennoch hören wir auch heute noch, dass Leute sagen: Das Grün wächst doch von selber.

Stadtgrün macht das Radeln schöner: Radfahrerinnen und Radfahrer sind in der Stadt gern auf sicheren Wegen im Grünen unterwegs, wie hier in Dresden.

Foto: Sylvio Dittrich

„Die grün-blaue Infrastruktur ist in unseren Städten genauso unverzichtbar wie alle anderen Infrastrukturen. Und sie braucht eine Lobby.“

„Allmählich wird allen bewusst, dass man sich intensiv um das Stadtgrün kümmern muss.“

Dabei zeigt sich in Hitzesommern wie 2018, 2019 oder 2022, dass das Grün eben nicht von selber wächst.

Rüdiger Dittmar: Da haben Sie recht. Ich glaube, allmählich wird allen bewusst, dass das Grün nicht mehr von allein bleibt, dass man sich intensiv darum kümmern muss. Und dafür braucht es eben eine hohe fachliche Kompetenz. Die einen behaupten: „Es wird von allein grün“, die anderen meinen: „Grün kann jeder.“ In der Stadtplanung wurde lange gesagt: „Das Stadtgrün können wir mitplanen.“ Ich sage: Es ist essentiell, dass wir als Grünflächenämter im städtischen Planungsprozess und in der Stadtentwicklung den Freiraum, den öffentlichen Raum und insbesondere das Stadtgrün mit hoher Fachkompetenz vertreten.

Wie wollen Sie erreichen, dass die Bedeutung des Stadtgrüns und der Grünflächenämter weiter gestärkt wird?

Rüdiger Dittmar: Durch intensiven Austausch in unserem Netzwerk und indem wir Wissen schaffen und vermitteln - auf Fachveranstaltungen, aber auch in der Öffentlichkeit. Der Austausch ist deshalb wichtig, weil wir es auf kommunaler Ebene immer mit Einzelfällen zu tun haben. Jede Kommune agiert für sich, wir sind ja sehr stolz auf unsere kommunale Selbstverwaltung. Das hat aber zur Folge, dass jede Kommune ihren eigenen Weg sucht. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit der Gartenamtsleiterkonferenz eine Austauschplattform bieten. Und gleichzeitig ein Netzwerk aus Expertinnen und Experten, die Themen für die Praxis bearbeiten.

 

„Es ist ganz wichtig, dass wir als Gartenbauämter im städtischen Planungsprozess und in der Stadtentwicklung den Freiraum, den öffentlichen Raum und insbesondere das Stadtgrün mit hoher Fachkompetenz vertreten.“

Koblenz im Buga-Jahr 2011

Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz war 2011 Teil des Bundesgartenschau-Geländes. Der Landschaftspark auf dem Festungsplateau ist nach der Schau erhalten geblieben. Rüdiger Dittmar organisierte die BUGA 2011 mit und setzte sich für eine nachhaltige Nutzung der Anlagen ein.

Foto: Holger Weinandt

Ein Beispiel: die GALK-Straßenbaumliste

Welche Themen sind das?

Rüdiger Dittmar: Unser klassisches Beispiel ist die GALK-Straßenbaumliste.

Darin empfehlen Expertinnen und Experten aus dem GALK-Arbeitskreis „Stadtbäume“, welche Bäume die Kommunen an welchen Standorten pflanzen sollten.

Rüdiger Dittmar: Richtig. Dafür sind seit 1975 Kolleginnen und Kollegen im Außeneinsatz und tragen in der ganzen Republik das Wissen zusammen. Das ist ein größerer Informationsschatz als bei jedem Forschungsprojekt.

Wie machen Sie darüber hinaus auf die Bedeutung des Stadtgrüns aufmerksam? 
Rüdiger Dittmar: In den vergangenen Wochen haben wir auf verschiedenen Veranstaltungen deutlich gemacht, was Stadtgrün leisten kann: Wir waren präsent und haben Impulse gesetzt bei den „Landscape Talks “ auf der GaLaBau-Messe in Nürnberg, beim Kongress „Stadt.Klima.Baum“ in Berlin oder bei der Fachtagung „Natur in der Stadt“  in Darmstadt. Die wesentliche Aufgabe ist es, die Bedeutung der grün-blauen Infrastruktur im Hinblick auf Lösungsansätze für die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu betonen.

Koblenz im Buga-Jahr 2011

Für die BUGA 2011 baute Koblenz Bereiche des Rheinufers zur autofreien Promenade um und pflanzte neue Bäume. Auch davon profitieren sowohl Einwohnerinnen und Einwohner als auch Besucherinnen und Besucher der Stadt noch heute.

Foto: Holger Weinandt

„Die Covid-19-Pandemie hat verdeutlicht, was Stadtgrün für Lebensqualität und Gesundheit bedeutet.“

Stadtgrün als Lösungsansatz für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen

Also beispielsweise Klimakrise und Artensterben.

Rüdiger Dittmar: Ja, diese großen Themen werden uns weiterhin begleiten, egal welche Krise noch dazukommt. Die Covid-19-Pandemie hat das Bewusstsein der Menschen in den Städten für das Grün nebenan sehr geschärft. Sie hat verdeutlicht, was das Stadtgrün für Lebensqualität und Gesundheit bedeutet. Die Energiekrise zeigt uns aktuell, dass naturbasierte Lösungen umso wichtiger werden, je teurer Energie wird. Wir haben schon im Hinblick auf die Herausforderung Klimawandel gemerkt, dass wir nicht mehr jeden Starkregen über Betonbecken auffangen können, sondern dass wir Retention brauchen. In den Bau dieser Retentionsräume muss viel weniger graue Energie gesteckt werden als in den Bau von Betonbecken.

Das bedeutet, die naturbasierten, klimafreundlicheren Lösungen sind gleichzeitig auch die günstigeren?

Rüdiger Dittmar: So ist es. Diese Lösungen brauchen allerdings mehr Fläche im Stadtraum. Dafür ist wiederum eine neue Planungskultur wichtig: Wir müssen zu einer integrierten Planung und einer integrierten Stadtentwicklung kommen. Verschiedene Ämter in der Verwaltung sollten künftig mehr zusammenarbeiten. Und wir als Grünflächenämter müssen uns als starke Stimme mit unserem Fachwissen in den Planungsprozess einbringen und für das Stadtgrün kämpfen.

Warum wird eine Zusammenarbeit zwischen den Ämtern immer wichtiger?

Rüdiger Dittmar: Die Bürgerinnen und Bürger nehmen die Kommunalverwaltung oftmals als unsortiert wahr. Weil der eine dies sagt, die andere das, was ja erst mal aus der jeweiligen Fachlichkeit resultiert. Künftig wird es darum gehen, aus den diversen fachlichen Blickwinkeln heraus gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Wir müssen dabei unsere unterschiedlichen Interessen rascher verhandeln. Das geht nur, wenn alle an einem Tisch sitzen.

Vor allem aber braucht es den Diskurs mit der Gesellschaft. Am Ende muss eine Kommune sich entscheiden: Pflanzen wir jetzt Bäume? Bauen wir Parkplätze? Bauen wir Fahrradwege? Über integrierte Planungsprozesse können wir als Grünflächenämter uns auch bei der baulichen Umsetzung ganz anders positionieren: Kommunen geben viele Bauaufträge auf den freien Markt. Wenn wir als Grünflächenämter Plätze und Straßenbereiche mitgestalten, ist das in der Regel ein Auftrag für den GaLaBau – und nicht nur für den Tiefbau.

Stadtparks, Kastanien- und Kirschbaum-Alleen - hier in Bonn: Stadtgrün macht das Leben in Städten angenehm. Und belebt den Tourismus.

Foto: Giacomo Zucca

Die Rolle des GaLaBau

Welche Bedeutung werden Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen künftig haben für das Grün in den Kommunen?

Rüdiger Dittmar: Eine ganz zentrale. Wenn wir jetzt mehr naturbasierte Lösungen errichten, brauchen wir Menschen, die das baulich umsetzen und dauerhaft pflegen können. Wenn wir das Regenwasser nicht mehr einfach über einen Kanal wegleiten, sondern Grünflächen für den Rückstau nutzen, dann müssen diese Flächen ganz anders und auch zielgerichteter gepflegt werden als vorher. Das Wissen um die Pflanze ist eine Kernkompetenz im GaLaBau und in Grünflächenämtern. Dieses Wissen werden wir gemeinsam stärken müssen.

Was heißt das genau?

Rüdiger Dittmar: Das heißt, wir müssen uns noch mehr damit beschäftigen, wie Pflanzen und Bäume in unseren Städten unter den veränderten Bedingungen leben können. Sind die Standortbedingungen gut, die wir schaffen? Gehen wir auf der Baustelle gut mit den Pflanzen um? Wählen wir die richtigen Pflanzen aus? Ist die Pflege wirklich optimal? Das können wir nicht nur technisch über Messungen regeln. Selbst wenn wir mit Digitalisierung weiter an Effizienz gewinnen, brauchen wir am Ende auch künftig viele Menschen, die Fachwissen und viel Erfahrung beim Thema Pflanze haben, von der Produktion bis zur Pflege. Ohne Fachbetriebe können Kommunen ihren Zukunftsaufgaben im Bereich Klima- und Artenschutz gar nicht gerecht werden. Deshalb sind eine stärkere Zusammenarbeit und das Schmieden von Allianzen nicht nur zwischen den Ämtern wichtig, sondern auch innerhalb der grünen Branche.

„Ohne Fachbetriebe können Kommunen ihren Zukunftsaufgaben im Bereich Klimaschutz und Artenvielfalt gar nicht gerecht werden.“

Drohnenbild_Rheinaue

Die Bonner Rheinaue wurde für die Bundesgartenschau 1979 umgestaltet. Heute nutzen Menschen aus Bonn und Umgebung das großzügig angelegte Gelände mit seinen Themengärten, Hügeln und Seen zum Spazierengehen, Radfahren, Picknicken. Außerdem finden dort viele Veranstaltungen statt.

Foto: Amt für Bodenmanagement und Geoinformation Bundesstadt Bonn

Stärkere Vernetzung: auch mal den Blickwinkel wechseln

Also zwischen den Grünflächenämtern und den GaLaBau-Unternehmen?

Rüdiger Dittmar: Zwischen allen Ebenen der Branche: den Produzenten, den GaLaBau-Betrieben, den Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten, den Kommunen, der GALK. Wir sollten den Schulterschluss suchen, uns regelmäßig austauschen und auch mal den Blickwinkel wechseln.

Wie kann das konkret gehen?

Rüdiger Dittmar: Der Gemeinsame Bundeskongress  ist solch ein Vernetzungsformat. Den richtet die GALK einmal im Jahr gemeinsam mit anderen Verbänden aus. Diese Zusammenarbeit in Form von gemeinsamen Fachveranstaltungen sollten wir verstetigen. Und auch in der Öffentlichkeit öfter gemeinsam auftreten, beispielsweise bei öffentlichen Veranstaltungen in den Kommunen.

GALK-Präsident Rüdiger Dittmar

Der Diplom-Landschaftsplaner und Diplom-Forstwirt Rüdiger Dittmar (Jahrgang 1968) ist seit Mai 2022 Präsident der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK). Zuvor war er sechs Jahre lang GALK-Vizepräsident. Seit 2015 leitet Dittmar das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig. Davor war er in den Städten Koblenz, Solingen und Kiel in leitenden Funktionen für die Bereiche Umweltschutz, Landschaftsschutz und Grünflächen zuständig. Als Leiter des Eigenbetriebs Grünflächen- und Bestattungswesen in Koblenz organisierte er die Bundesgartenschau (BUGA) 2011 mit. Er setzte sich unter anderem für eine nachhaltige Nutzung der Anlagen nach der BUGA ein. Im Präsidium der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau (FLL) ist Rüdiger Dittmar seit 2016 Mitglied. Er unterstützt zudem als Vertreter der GALK die Arbeit der FLL-Fachgremien Freiflächenmanagement und Nachhaltigkeit von Freianlagen.

Bild: privat

Der gesellschaftliche Wert des Stadtgrüns

Stichwort Öffentlichkeit: Viele Ihrer Pläne beziehen sich auf Fachleute oder die grüne Branche. Will die GALK auch die Bevölkerung beim Stadtgrün anders einbeziehen?

Rüdiger Dittmar: Ja, ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir als GALK die breite Öffentlichkeit stärker ansprechen. Wir wollen vermehrt Wissen nach außen vermitteln. So sind wir unter anderem in Forschungsprojekte zum Thema Ökosystemdienstleistungen eingebunden: beispielsweise in das Projekt „Stadtgrün wertschätzen“. Dabei geht es darum, den gesellschaftlichen Wert des Stadtgrüns zu verdeutlichen. Wie trägt es zur Abkühlung bei, was bringt es fürs Regenmanagement und für die Biodiversität, was leistet es für die Lebensqualität und für die Gesundheit? Die GALK hat dabei geholfen, ein Schulungstool mit Informationen und Hintergrundmaterial zu erstellen. Bei solchen Forschungsprojekten wollen wir auch künftig als Partnerin zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wollen wir auf der GALK-Webseite Projekte besser darstellen, die die Grünflächenämter in den Städten umsetzen. So können wir zeigen, wie wir als Grünflächenämter Städte gestalten und ihnen ein Gesicht geben.

Die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz GALK

In der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunaler Grünflächenämter aus ganz Deutschland vertreten. Die GALK ist ein eingetragener Verein und unterstützt den Deutschen Städtetag über die Fachkommission Stadtgrün. Der Verein engagiert sich für ein „soziales öffentliches Grün“: Alle Menschen vor Ort sollen von mehr Stadtgrün profitieren, und es soll die wirtschaftliche Entwicklung in den Kommunen voranbringen. Die GALK will sich verstärkt für eine nachhaltige Stadtentwicklung engagieren und sich mit den Aufgaben der Städte und Gemeinden in der Klimakrise auseinandersetzen.

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Autorin: Kirsten Lange

Carsten Peters2023-02-13T13:19:06+01:00
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