Technik und Tradition – Gartenträume in Nord­friesland

Online und analog, im Internet und mit den Händen in der Erde: Stefan Momsen verbindet bei „Gartenträume Momsen“ ganz unterschiedliche Welten. Das passt zu einem, der viel unterwegs ist. Sein norddeutscher Arbeitsplatz zwischen Festland und Inseln ist ideal für einen digitalen Nomaden mit festem Wohnsitz.

Wer wissen will, was Stefan Momsen und sein Team beschäftigt, kann das von überall her beobachten: Auf Instagram, Facebook oder YouTube zeigt der Nordfriese, welche Projekte sein Betrieb realisiert. Da werden Bäume gepflanzt, Steine gelegt, Beete gepflegt. Öfter winkt auch jemand in die Kamera. Der Chef selbst erklärt, was gerade passiert. Ein perfektes Schaufenster. „Wir haben dadurch nur Vorteile: mehr Auszubildende, neue Aufträge, wir steigern unsere Bekanntheit – und darüber hinaus machen wir Werbung für den Beruf.“

Aber wenn es um die praktische Ausführung geht, ist vieles ganz traditionell. Momsen legt Wert auf regionaltypische Gartengestaltung. Dazu gehören zum Beispiel Friesenwälle. Profis, die diese nordische Trockenmauer fachgerecht bauen können, gibt es immer seltener. Dagegen ist die Nachfrage der Kundschaft an der schleswig-holsteinischen Westküste und auf den Nordseeinseln groß: Friesenwälle bilden hier den klassischen Grundstücksabschluss. Und sie passen gut in die Landschaft und zu den reetgedeckten Giebeln.

Friesenwall

Friesenwälle bilden hier den klassischen Grundstücksabschluss. Und sie passen gut in die Landschaft.

Friesenwall: Nord­deutsche Trockenmauer

Ein „Friesenwall“ ist eine doppelte Natursteinmauer, wie sie schon lange in den Marschen Schleswig-Holsteins und auf den Nordfriesischen Inseln als Umfriedung von Grundstücken eingesetzt wird. Hier gab es wenig Wald und so auch kaum Holz für Zäune. Doch die Gletscher haben in der Eiszeit runde Feldsteine und Geröll in die Gegend geschoben, die sich ohne Mörtel aufeinanderschichten ließen. Früher begrenzten diese mit Schotter und Erde gefüllten Trockenmauern Felder, Äcker und Gärten. Weil sie auf ihrer Krone sogar eine Hecke tragen können, bieten sie einen guten Windschutz. Sie sind nicht nur dekorativ, sondern auch wärmender Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen.

Regionalgerechte Gartengestaltung umfasst die Beratung für die richtige Bepflanzung. Nicht alle Sträucher und Bäume kommen mit dem Nordseeklima zurecht – und nicht alle Planungen mit den Vorstellungen des Chefs. Palmen würde er nicht setzen, sagt Momsen.  Auch „Schottergärten“ oder Gabionen führe sein Betrieb nicht aus: „Küstennahe Gärten mit Dünengras, Friesenwällen, Kiefern passen hierher und sind Wunsch der KundInnen. Auf Sylt ist die Pflanzenauswahl sehr beschränkt. Manchmal müssen wir externe PlanerInnen darauf hinweisen, dass der Salzgehalt in der Luft für bestimmte Pflanzen zu hoch ist. Auch diese schweren Stürme kann nicht jede Pflanze ab. Wir haben einerseits schwere Kleiböden, die unglaublich stark Wasser binden. Andererseits haben wir Böden, die unter der zehn Zentimeter dicken Humusauflage aus schierem weißen Sand bestehen. Wir können vieles möglich machen. Aber letztlich ist es immer noch Natur, und die können wir nicht beeinflussen.“

Ökologisches Herangehen spiele eine immer größere Rolle. Momsen und seine Leute versuchen, nachhaltige Materialien zu verwenden – und dort Rohstoffe wiederzuverwenden, wo möglich. Denn immer mehr AuftraggeberInnen fragen danach.

Auf der anderen Seite ist das Interesse an automatisierter Gartensteuerung groß: 80 Prozent der Aufträge kommen von Menschen, die nicht dauerhaft in der Region wohnen. Immerhin 50 Prozent des Gesamtumsatzes macht die Pflege aus.

„Auf Sylt, aber auch auf dem Festland, sind Erweiterungen im Außenbereich schwierig. Es ist immer ein Behördenkampf. Alles wird nur schwer genehmigt. Es könnte immer zum Rückbau kommen.“

„Küstennahe Gärten mit Dünengras, Friesenwällen, Kiefern passen hierher und sind Wunsch der KundInnen.“

Smart Garden an der Nordsee

„ZweitwohnungsbesitzerInnen möchten, dass alles schön ist, wenn sie kommen. Darum thematisieren wir neuerdings auch verstärkt die Themen Bewässerung, Beleuchtung und Mähroboter. Schließlich muss den Rasen nicht eine teure Fachkraft mähen. Die kann sich lieber um das fachgerechte Pflegen und Düngen der Pflanzen kümmern.“ Ein Ziel ist auch, die Beete und nicht die Rasenfläche computergesteuert zu bewässern: „Aus ökonomischen Aspekten und um Ressourcen zu schonen. Weil wir hier ständigen Sturm haben, arbeiten wir in den Beeten eher mit Tröpfelanlagen, damit das Wasser nicht verweht wird.“

Doch Momsens gestalterische Ideen beschränken sich nicht nur auf die reine Gartenanlage. Er denkt gerne einen Schritt weiter: „Kabel für Ladesäulen bieten wir standardmäßig mit an. Noch sind die Kunden überrascht, aber bald werden die Leute mit Elektroautos kommen. Auch die Mietflotten werden auf Elektro umstellen.“

„Zweitwohnungs­besitzerInnen möchten, dass alles schön ist, wenn sie kommen. Darum thematisieren wir neuer­dings auch verstärkt die Themen Bewässerung, Beleuchtung und Mähroboter.“

Zwischen Meer und „Digitalien“

Die Begeisterung für Computersteuerung, Apps und neue Technik teilt Momsen mit seiner Kundschaft. „Zwar bin ich Gärtner und kein reiner Technik-Experte, trotzdem ist das für mich selbstverständlich. Ich informiere mich zum Großteil über Social Media: Was machen andere, was gibt es für Produkte … Ich scrolle sowieso viel herum. Wenn ich etwas Elektrisches nicht mit dem Handy bedienen kann, ist das für mich ein Ausschlusskriterium.“ Diese Haltung kommt gut an bei der zahlungskräftigen Klientel.

Momsen betont, wie sehr die umfassende Digitalisierung seinen Betrieb von der Umgebung abhebt: „Wir sind sehr innovativ. Nur das Leistungsverzeichnis und der schriftliche Auftrag werden ausgedruckt. Alle meine Vorarbeiter haben ein Tablet, erfassen darüber die Arbeitszeiten. Schon lange vor der Pandemie hatten wir eine Mitarbeiterin im Homeoffice. Wir möchten alles digital haben.“

Rund eine Woche haben die Mitarbeitenden für diese Umstellung gebraucht. Es sei relativ schnell gegangen, erinnert sich Momsen: „Gerade bei den Älteren stellte sich heraus, dass sie oft viel ehrgeiziger sind als die Jungen. Da gingen die älteren Vorarbeiter voran und machen es bis heute super.“

Stefan Momsen immer online

„Kabel für Ladesäulen bieten wir standardmäßig mit an. Noch sind die Kunden überrascht, aber bald werden die Leute mit Elektroautos kommen. Auch die Mietflotten werden auf Elektro umstellen.“

„Die moderne Technik bleibt selbstverständlich, wir bleiben aktuell. Ich hoffe, dass das Verständnis für schöne Gärten zunimmt. Auch auf dem nordfriesischen Festland steigt das Interesse daran.“

Vermessung via GPS und Gartenentwürfe auf Tablet

Für eine digitale Baggersteuerung sei der Betrieb zu klein, doch die Vermessung laufe gut via GPS ohne Gimbal: „Die Tablets haben eine spezielle Kamera. Ich schieße ein Foto der Messpunkte, fertige einen Aufmaßplan und habe bei Rasenkanten eine Abweichung von maximal vier Zentimetern.“ Auch die Gartenentwürfe werden auf dem Tablet gezeichnet: „Ob ich auf der Fähre sitze oder im Zug: Ich kann überall schnell arbeiten. Das ist eine enorme Zeitersparnis.“

Bei zwei Standorten mit zusätzlichem Inselhopping sind Zeit und Gepäck zwei wesentliche Faktoren im Betrieb. Nicht nur der Chef muss pendeln. Von den knapp 40 Angestellten arbeiten die meisten Vollzeit, die Hälfte ausschließlich auf Sylt. Einer davon organisiert als Landschaftsarchitekt die Pflege. Nur drei sind InsulanerInnen und wohnen auch dort.

Momsen selbst hat eine klare Aufteilung: An drei Tagen ist er auf dem Festland oder auf anderen nordfriesischen Inseln unterwegs: Föhr, Amrum, Pellworm. Zwei feste Tage sind für Sylt reserviert – das Arbeitsfeld mit dem größten Umsatz. „So wissen alle, wo sie mich erreichen können. Ich erstelle die Angebote und übernehme einen Großteil der Planung und Bauüberwachung. Das schaffe ich nur, weil ich so digital bin.“

„Ich habe immer Vollgas gegeben. Anfänglich war ich zu kleinteilig strukturiert, ich musste einiges dazulernen. Auch meine eigene Persönlichkeit als Chef muss ja passen. Das hat ein bisschen gedauert.“

Stefan Momsen

50 Prozent des Umsatzes kommt aus der Pflege, 80 Prozent der Aufträge sind privat. Gartenträume Momsen hat sich auf Projekte spezialisiert, die besonderes Fachwissen benötigen.

Im Gartenbau zählen Praxis und Netzwerk

Schon sehr früh hatte der heute 31-jährige Momsen die Chance, seinen Lehrbetrieb zu übernehmen. So konnte sein kleines, selbstständiges Unternehmen schnell wachsen: „Ich habe immer Vollgas gegeben. Anfänglich war ich zu kleinteilig strukturiert, ich musste einiges dazulernen. Auch meine eigene Persönlichkeit als Chef muss ja passen. Das hat ein bisschen gedauert.“

Momsen war schon immer eher Praktiker, sagt er selbst. Sein Vater war Ausbilder im Gartenbau, und auch der Onkel arbeitete in diesem Bereich. Früh half der junge Stefan am Wochenende mit. Schule? War ungeliebte Pflicht. Entsprechend wählt er bis heute seine Auszubildenden aus: Interesse und Engagement sind ihm wichtiger als Schulzeugnisse: „Die BewerberInnen müssen in unser Team passen. Das mit der Schule bekommen wir mit Nachhilfe hin. Es gibt da so viele Möglichkeiten.“

Wichtiger „Schub“ durch Verbandsarbeit

Als wichtigen Schub empfindet Momsen seinen Einstieg ins Präsidium des GaLaBau-Verbands. Hier engagiert er sich seit zwei Jahren, genau wie im Gemeinderat und bei der freiwilligen Feuerwehr: „Das hilft mir auch bei der Arbeit weiter. Ich knüpfe viele Kontakte, Menschen kommen auf mich zu.“

Jetzt möchte Momsen im GaLaBau-Verband gern eine AG „Junge UnternehmerInnen“ ins Leben rufen, um auch andere BetriebsstarterInnen für die Arbeit zu begeistern. „In vielen Betrieben übernimmt die zweite Generation, es gibt auch viele Neugründungen. Die werden bei uns eintreten und merken, dass der Verband für sie da ist.“

Die Arbeit im Vorstand ist für Stefan Momsen eine große Bereicherung. „Man sitzt mit unfassbar guten GaLaBau-UnternehmerInnen zusammen und tauscht sich beständig aus. Jedes Treffen, jede Betriebsbesichtigung ist eine kleine Lehrfahrt. Man schafft sich ein gutes Netz.“

„Networking ist so wichtig. Das bringt einen weiter. Es war nie geplant, dass ich Unternehmer werde. Es gibt dafür keinen Lehrgang. Man braucht Austausch und Selbstreflektion. Wenn man nur glaubt, man sei der beste, wird das nix.“

Stefan Momsen

Langsam wachsen, genaue Ziele definieren, nicht einfach loslegen. Stefan Momsen hätte beim Start als Unternehmer ein Mentor gutgetan, sagt er aus heutiger Sicht.

Gartenbau und Social Media

Diese Kontaktfreudigkeit macht Stefan Momsen perfekt für Social Media. Er selbst surft viel und gern auf anderen Profilen. Seine Storys und Filme dreht er meist selbst und gibt sie dann an eine befreundete Dienstleisterin zur Weiterbearbeitung. „Wir haben zuerst Ziele definiert. Es fing damit an, dass wir neue Teammitglieder suchten. Das hat auch funktioniert, darum konnten wir in wenigen Jahren so sehr wachsen.

Bewerbungen erreichen den Betrieb sogar aus Sachsen. Auch QuereinsteigerInnen haben nach dem erfolgreichen Praktikum eine Chance. Aus- und Weiterbildung sind selbstverständlich. „Der Social-Media-Auftritt bindet MitarbeiterInnen. Die werden viel von den KollegInnen angesprochen, wenn sie in Videos zu sehen sind. Sie identifizieren sich mit unserem Unternehmen und sind stolz darauf.“

„Wie nebenbei gemacht“: Starker Online-Auftritt bringt viele Aufträge

„NeukundInnen kommen häufig über Instagram. Entweder direkt oder weil jüngere Bekannte der KundInnen mir folgen“, sagt Momsen. Perfekt müsse das alles nicht sein. Authentizität und Regelmäßigkeit seien viel wichtiger: „Die Leute wollen unterhalten werden. Es wirkt wie nebenbei gemacht, aber es ist immer vorher bearbeitet. Ich verhaspele mich oft oder nuschele. Dann werden halt Untertitel daruntergezogen. Auch bei den KundInnen aus dem sehr hochwertigen Bereich kommt das gut rüber. Ich duze die auch alle.“ Vorher abgestimmt sind der generelle Look der Bilder und Filme, das grobe Ziel. „Dieses Jahr zeigen wir unsere eigene Gartenplanung im hochwertigeren Bereich. Alles andere darf sich entwickeln.“

Carsten Peters2023-12-22T10:35:16+01:00
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