Thomas Kramer führt seit etwa 30 Jahren das Unternehmen Kramer Garten in Olpe, mit sauerländer Bodenständigkeit, viel Kreativität und ungewöhnlichen Ideen. Dazu gehört auch, belastbare Pläne für die Zukunft zu entwickeln. Um sicherzustellen, dass der Betrieb ohne ihn überleben könnte, schipperte Kramer sogar einen Sommer lang über holländische Kanäle.
Was passiert, wenn in einem Betrieb mit 40 Mitarbeitern der Chef für sechs Wochen komplett ausfällt? Und das auch noch mitten in der Hauptsaison? Antwort: Der Betrieb läuft hervorragend, weitreichende Entscheidungen werden eigenverantwortlich von den Mitarbeitern gefällt, und der Chef hat noch nicht einmal ein ungutes Gefühl dabei. Jedenfalls dann, wenn dieser Chef Thomas Kramer heißt und die Auszeit gut vorbereitet wurde – als Teil eines mutigen Experiments. Das fand bei Kramer Garten im Sommer 2014 statt, um herauszufinden, ob der Betrieb auch ohne den Inhaber gut weiterlaufen würde.
Notfallkoffer Nummer 1
Wie kam es dazu? Thomas Kramer, Inhaber des Garten- und Landschaftsbaubetriebs Kramer Garten im südwestfälischen Olpe, verspürte schon immer eine starke Verantwortung, sowohl gegenüber seiner eigenen Familie als auch gegenüber seinen Mitarbeitern und ihren Familien. Der Gedanke, dass ihm etwas passieren und er plötzlich ausfallen könnte, beunruhigte ihn sehr. Gerade als der Betrieb noch kleiner war, hätte er in so einem Notfall vermutlich nicht fortbestehen können, weil große Teile des Wissens und der Entscheidungskompetenz bei Kramer selbst lagen. Er war sozusagen der „Kopf“ des Unternehmens, die Mitarbeiter waren die Ausführenden, und keiner hätte ihn damals ersetzen können.
Schon Anfang dieses Jahrtausends packte Thomas Kramer deshalb einen ersten „Notfallkoffer“. Er fragte einen guten Kollegen, ob er im Ernstfall bei Kramer Garten aushelfen könne. Der Kollege sagte ja – da er seinen Gartenbaubetrieb gemeinsam mit seinem Bruder leitete, hätte er für eine Weile seine Ressourcen auf die zwei Betriebe verteilen können. Eine „kleine Lösung“ war somit schon früh gefunden.
Notfallkoffer Nummer 2
Im Jahr 2013, Kramer Garten hatte inzwischen seine jetzige Größe erreicht, geschah etwas, das Thomas Kramer erneut zum Nachdenken brachte: Der Inhaber eines kleinen Straßenbauunternehmens im Nachbarort erlitt ein Gehirn-Aneurysma. Er kippte plötzlich um, musste notoperiert werden und ist bis heute nicht wieder voll einsatzfähig. Der Betrieb wurde innerhalb kürzester Zeit geschlossen, weil es niemanden gab, der ihn hätte führen können.
Für Thomas Kramer war dieser Vorfall ein Schock, er wollte nun für Kramer Garten eine wirklich belastbare Regelung finden. Deshalb setzte er sich mit seinen engsten Mitarbeitern zusammen, um gemeinsam mit ihnen einen zweiten Notfallkoffer zu erarbeiten. Darin befanden sich zum Beispiel die Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen sowie weitreichende Handlungsvollmachten. Doch ob diese Werkzeuge auch tatsächlich funktionieren würden – das konnte man nur wissen, wenn man es ausprobierte. Und schon stand der Entschluss: Mitten im Sommer 2014 würde Thomas Kramer sich aus dem Betrieb zurückziehen und die Steuerung komplett seinen Mitarbeitern überlassen.
Manch einer mag bei diesem Gedanken zucken, nicht aber Thomas Kramer. „Ich habe mich noch nie für unersetzlich gehalten“, sagt er. „Jeder ist ersetzbar. Dieses Bewusstsein ist eine Voraussetzung für einen solchen Schritt.“ Und er zitiert mit großer Überzeugung Hans-Olaf Henkels Worte: „Mitarbeiter können alles – wenn man sie weiterbildet, wenn man ihnen Werkzeuge gibt, vor allem aber, wenn man es ihnen zutraut.“
Das Zitat hilft sehr gut zu verstehen, wie Thomas Kramer tickt und warum er in dem, was er macht, erfolgreich ist. Er erwartet Top-Leistungen von seinem Team, schenkt ihm aber auch absolutes Vertrauen – und dieses Vertrauen wird von den Mitarbeitern mit viel Loyalität und Engagement belohnt. Stolz erzählt er, dass nach Bekanntgabe des Plans ein Ruck durch die Belegschaft ging. Das vorherrschende Gefühl war: „Wir werden es ihm zeigen, dass es auch ohne ihn geht.“ Und auch: „Boah, der gibt mir Vertrauen!“
Es kommt immer anders, als man denkt
Neben dem Vertrauen sind auch Offenheit und Flexibilität entscheidende Eigenschaften, um einen solchen Plan umzusetzen. Thomas Kramer ist bewusst, dass es zwar wichtig ist, gut zu planen, dass aber nicht alles planbar ist. Unverhofft kommt oft, und so war es auch bei diesem Projekt: Kurz bevor es losgehen sollte, erhielt ein enger Mitarbeiter eine Krebsdiagnose und fiel über ein Jahr aus. Zeitgleich kündigte völlig überraschend ein weiterer enger Mitarbeiter, Thomas Kramers „rechte Hand“, nachdem er ein äußerst interessantes Angebot erhalten hatte. Damit hatte sich die Perspektive für zwei von drei Mitarbeitern, die neben Thomas Kramer in der Lage waren, Gärten verantwortlich zu planen und zu betreuen, radikal verändert. Doch wo sich Türen schließen, gehen neue auf: Es wurde kurzfristig ein neuer Meister gefunden und eingestellt. Und der Mitarbeiter, der gekündigt hatte, stand weiterhin voll hinter dem Projekt und blieb bis zu seinem Ausscheiden im Herbst 2014 ein engagiertes Mitglied des Teams. So konnte das Experiment trotz allem starten, wenn auch wegen der veränderten Umstände auf sechs statt der ursprünglich geplanten acht Wochen verkürzt.
Positives Fazit und wichtige Erkenntnisse
Natürlich konnte Thomas Kramer nicht einfach zuhause sitzen. Stattdessen befuhr er vom 16. Juni bis zum 26. Juli 2014 mit einem 11,30 m langen Hausboot die Kanäle im holländischen Friesland – in der ersten und letzten Woche gemeinsam mit seiner Frau, sonst allein. Im Extremfall wäre er zu erreichen gewesen, doch er erhielt in den sechs Wochen keinen einzigen Anruf aus dem Betrieb. Er las auch keine E-Mails, hatte kein Internet, keine Zeitungen und kein Fernsehen. Nur die Spiele der Fußball-WM schaute er gemeinsam mit anderen in den Hafenkneipen. Kurz: Er war komplett raus.
Und das war vollkommen in Ordnung, wie sich zeigte. Der Notfallplan griff, es gab kein Problem, das nicht von den Mitarbeitern gelöst wurde. Thomas Kramer ist regelrecht stolz darauf, dass sie sogar einen Auftrag in der Höhe von 128.000 Euro ablehnten, weil er nicht wirtschaftlich war, ohne das mit ihm abgestimmt zu haben. Das betriebswirtschaftliche Ergebnis dieser Zeit war gut und absolut vergleichbar mit den Jahren zuvor. „Wir haben es gemacht, sind dadurch auf einen Ausfall vorbereitet, und das gibt allen ein Gefühl von Sicherheit. Und es hat meinen Mitarbeitern ein neues Selbstbewusstsein gegeben,“ fasst Thomas Kramer zusammen.
Ein weiterer Erfolg des Experiments ist, dass Dinge sichtbar wurden, die noch verbessert werden konnten – und seitdem auch verbessert wurden. So wurden Aufgaben noch klarer zugeordnet und die Bürobesetzung im Bereich Service-Grün verstärkt. Außerdem wurden weitere notarielle Vollmachten erteilt und ein Vertreter bestimmt, der im Notfall uneingeschränkt handeln kann.
Vorbereitungen für die Unternehmensnachfolge
Damit war zugleich eine Grundlage für die Unternehmensübergabe gelegt, über die sich Thomas Kramer, Jahrgang 1960, ebenfalls schon Gedanken macht. Schritt für Schritt wurde mehr Verantwortung an bestimmte Mitarbeiter übergeben. Unter anderem wurden 2017 30% des Unternehmens an zwei Mitarbeiter zu je 15% verkauft. Die beiden stiegen zudem in die Unternehmensleitung ein und so hat Kramer Garten seit 2017 drei Geschäftsführer.
Außerdem kam der Sohn, Marius Kramer, 2018 ins Unternehmen. Nach einer dreijährigen Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann absolvierte er eine dreijährige Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Daran angeknüpft sammelte Marius Kramer zwei Jahre lang praktische Erfahrung und besuchte dann die Landesanstalt für Wein- u. Gartenbau in Veitshöchheim, wo er 2017 die Meister- und 2018 die Technikerprüfung ablegte. Er ist zurzeit Junior-Bauleiter mit zusätzlichen Aufgaben in den Bereichen Zahlungsverkehr und Arbeitsvorbereitung. Die Entscheidung, ob er den Betrieb eines Tages von seinem Vater komplett übernehmen sollte, machte sich Marius Kramer nicht leicht. Nach reiflicher Überlegung bevorzugte er die Lösung, Partner mit ins Boot zu holen. „Ich habe höchsten Respekt vor dieser Entscheidung“, betont Thomas Kramer. „Es ist toll, dass er so gut einschätzen kann, was ihm liegt, was ihm Spaß macht und vor allem, was er selbst für sich will.“
Mit dem Ausbau der Unternehmensleitung und dem schrittweisen Verkauf des Unternehmens an die Mitarbeiter sind die Weichen für eine gelungene Übergabe bereits gestellt. Nach und nach wird Thomas Kramer seine Arbeitszeit in den nächsten Jahren reduzieren, mit einem guten Gefühl.
Großzügige Mitarbeiterförderung
Wie sehr Thomas Kramer an einen wertschätzenden Umgang mit seinen Mitarbeitern glaubt, zeigt sich auch in der Art und Weise, wie er sie fördert. Wenn zum Beispiel ein Azubi außergewöhnlich gut ist, eröffnet Kramer ihm nach der Ausbildung eine besondere Perspektive, genannt „Heimathafen“. Er vermittelt ihn auf Wunsch in befreundete Betriebe, die andere Schwerpunkte setzen als Kramer Garten, und verspricht ihm: „Du kannst jederzeit hier ablegen und wieder anlegen.“
Das meint er so, wie er es sagt. Ein Mitarbeiter kam zurück, nachdem er in einer Baumschule sehr viel dazugelernt hatte, und wurde Vorarbeiter bei Kramer Garten. Danach ging er in einen auf Pools spezialisierten Betrieb und „blieb dort hängen“. Vielleicht kommt er eines Tages erneut zurück und bringt sein umfangreiches Können mit, vielleicht aber auch nicht. Kramer ist damit völlig einverstanden. Er hat weiterhin ein hervorragendes Verhältnis zu dem jungen Mann, egal, wie der sich in Zukunft entscheidet. „Ich kann doch nicht erwarten, dass sich jemand mit 28 schon festlegt und für immer bleibt“, findet er.
Mit dieser Philosophie fährt Kramer Garten sehr gut. Man kennt sich in der Branche, die Stärken des Unternehmens sprechen sich herum, und so hat Kramer Garten keine Probleme damit, neue Azubis oder Meister zu finden. Und das, obwohl der Betrieb nicht in einem beliebten Ballungsraum liegt, sondern mitten im Sauerland.
Impulse für die Unternehmensentwicklung
Thomas Kramer gründete Kramer Garten 1990 in seinem Heimatstädtchen Olpe. Mit den Jahren hat der Betrieb tiefgreifende Veränderungen erfahren, nicht zuletzt, weil Thomas Kramer immer in Bewegung blieb: Nach einer wirtschaftlich weniger erfolgreichen Phase in den späten 1990er-Jahren sattelte er auf seine Ausbildungen als Landschaftsgärtner und Techniker noch die als Praktischer Betriebswirt auf und setzte danach den Fokus des Unternehmens neu. Denn wie viele Landschaftsgärtner hatte er bis dahin an erster Stelle die Motivation, schöne Projekte zu gestalten und zu bauen. Ob sie sich auch rechneten, kam erst an zweiter Stelle. „Wenn man 10 Mitarbeiter hat, wie ich damals, muss man es genau umgekehrt machen“, so Kramers Erkenntnis. Die Neuausrichtung bewährte sich, und Aufwand und Ertrag stehen seitdem in der richtigen Relation.
Zum Unternehmenserfolg trägt auch eine ungewöhnliche Gemeinschaft unter Kollegen bei: Schon seit Jahrzehnten prüfen Kramer und drei befreundete Landschaftsbauunternehmer einmal im Jahr gegenseitig ihre Betriebe – vom Soll-Ist-Vergleich über die Zielplanung und Betriebsstruktur bis zur Investitionsplanung hinein. Das bewährt sich, sagt Thomas Kramer. Man hat immer einen Vergleich mit anderen, außerdem muss man zu einem Stichtag seine Hausaufgaben gemacht und zum Beispiel die strategische Ausrichtung für die nächsten Jahre klar haben.
Die Projekte von Kramer Garten – Privatgärten sowie Grünanlagen von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen – sind zum Teil in Olpe und Umgebung angesiedelt. Um einen Betrieb mit 40 Mitarbeitern am Leben zu erhalten, reichen die Aufträge aus der Region jedoch nicht aus. Deshalb orientiert sich das Unternehmen zusätzlich Richtung Rheinland, das zudem den Vorteil höherer Temperaturen und somit geringerer Ausfallzeiten im Winter hat. Schon lange spielen dabei die in Olpe ansässigen Franziskanerinnen mit ihrer Gesellschaft, der GFO, eine wichtige Rolle: Der Orden betreibt im Sauerland und im Rheinland viele Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altenheime, Hospize oder Kindergärten, für die Kramer Garten aufwändige Außenanlagen baut.
Ehrenämter im Verband und Fokus auf Marketing
Als engagierter und umtriebiger Unternehmenslenker war Thomas Kramer schon früh im Verband organisiert, weil er den Austausch mit Kollegen und die Möglichkeit, sich als Verbandsmitglied von anderen Landschaftsgärtnern abzugrenzen, unverzichtbar findet. Zudem engagierte er sich im Ehrenamt: Er war sieben Jahre lang Präsidiumsmitglied im Landesverband NRW und leitete dort acht Jahre lang den Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit.
Das passt, denn zum Thema PR und Werbung hat Kramer eine große Affinität. So waren ihm für Kramer Garten ein gutes Marketingkonzept und hochwertige Marketingmaßnahmen immer wichtig. Eine von vielen liebevoll gestalteten Publikationen ist das Kundenmagazin „Gartengeflüster“, das drei Mal im Jahr erscheint.
In den Kommunikationsmaterialien, aber auch in der Ausstattung des Betriebs, nutzt Kramer gerne die Motive der Image- und PR-Kampagne des Verbands. „Ich bin bis heute den Leuten dankbar, die diese Kampagne auf den Weg gebracht haben“, betont er. „Mit solchen Angeboten sind wir in unserem Berufsstand deutlich weiter als viele andere Handwerksbranchen.“
Und was macht Thomas Kramer in seiner Freizeit? Er segelt auf dem nahen Biggesee oder auch mal auf der Ostsee. Jeden Dienstag schreibt er eine Kolumne über Gartenthemen für den Lokalteil der Westfalenpost. Ja, jede Woche. Auch dafür gibt es als Belohnung positive Rückmeldungen der Mitmenschen: In Leserbriefen wird die Kolumne regelmäßig gelobt. Garten- und Landschaftsbaubau und Kommunikation sind einfach zwei Disziplinen, die Thomas Kramer perfekt beherrscht.