„Das Thema Biodiversität in der Stadt bietet auch für GaLaBau-Betriebe eine Riesenchance“

Foto: Bundeshauptstadt Bonn

Biodiversität ist für Städte ein Riesenthema, erklärte David Baier, Leiter des Amtes für Umwelt und Stadtgrün der Stadt Bonn, im ersten Teil des Interviews mit dem GaLaBau-Blog. Im zweiten Teil spricht der gelernte Gärtner darüber, welche Chancen damit für GaLaBau-Betriebe verbunden sind.

Herr Baier, Bonn liegt bei der Umsetzung von Biodiversität im Vergleich zu anderen deutschen Städten weit vorne. Was sind Highlights der bisherigen Umsetzung? 

David Baier: Unsere Nachhaltigkeitsstrategie verknüpft viele Bereiche und Themen miteinander. Biodiversität ist eines davon. Dazu gehört ein komplettes Aktionsprogramm. Es bezieht die Stadt als Ganzes ein, auch Privatgärten, Fassaden und Dächer, letztlich jede noch so kleine Fläche, selbst die auf Bushaltestellen. Denn unser Auftrag ist es, für alle grauen und grünen Flächen aktiv zu werden.

Überall grün-blaue Infrastrukturen fördern

Mit dem Programm haben wir einen Transformationsprozess zusammen mit vielen Akteurinnen und Akteuren, auch aus der Zivilgesellschaft, in Gang gesetzt. Beim Projekt „Bonn blüht und summt“ haben wir mit örtlichen Initiativen die Ansiedlung insektenfreundlicher Pflanzen auf öffentlichen und privaten Flächen initiiert. Außerdem haben wir Förderprogramme zur Begrünung und Entsiegelung im privaten Bereich aufgelegt.

Klimafreundliche Staudenbeete in der Bonner Rheinaue.

Klimafreundliche Staudenbeete in der Bonner Rheinaue.

Foto: Giacomo Zucca/Bundesstadt Bonn

„Die für mich spannendste Frage ist zugleich ein Wunsch: Wo ist der größte Hebel? Wo können wir mit unseren begrenzten Mitteln und Ressourcen bei der Biodiversitätsförderung in der Stadt die besten Erfolge erzielen?“

„Beim städtischen Grün haben wir eine Vorbildfunktion.“

Artenschutz auf kleinstem Raum durch artenreiche Pflanzungen.

Foto: Astrid Mittelstaedt/Bundesstadt Bonn

Biodiversität und Stadtgrün: „Kommunen müssen mit gutem Beispiel vorangehen“

Wir haben Zukunftsbäume gepflanzt, und am Fuß der Bäume experimentieren wir mit artenreichen Pflanzungen. Dabei birgt auch der Altbaumbestand großes Potenzial.

Obendrein haben wir an vielen Stellen die klassische Wechselbepflanzung in langlebige Stauden und Mischpflanzungen umgewandelt. Denn beim städtischen Grün haben wir eine Vorbildfunktion. Nur so wird die Veränderung auch für immer mehr Menschen sichtbar.

Die Rolle des GaLaBau

Was können GaLaBau-Betriebe aus Ihrer Sicht dazu beitragen, um Biodiversität in Städten zu fördern?

David Baier: Ich habe selbst Gärtner in einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb gelernt. Während meiner Ausbildung und der ersten Berufsjahre war ich überwiegend mit der klassischen Gestaltung von Terrassen, Flächen, Teichen, Zufahrten, Wegen und Randstreifen beschäftigt. Dabei mussten viele Funktionen bedient werden, zugleich sollte die Umsetzung ästhetischen Ansprüchen genügen. Was GaLaBau-Betriebe darüber hinaus unbedingt brauchen, ist eine hohe Kompetenz im Umgang mit Pflanzen, mit organischen Materialien, Böden und Wasserbewirtschaftung. Wie wächst die Pflanze, unter welchen Standortbedingungen, was kann sie bewirken?

Statt Schottergarten und Komplettversiegelung bieten Fugenräume auf Wegen kleinste Lebensräume und können zudem ansprechend gestaltet werden.

Foto: Bundesstadt Bonn

„Viele GaLaBau-Betriebe sehen das Thema naturnahe Gärten immer noch als Nische an. Dabei sollte es längst für jeden Fachbetrieb zum Selbstverständnis gehören.“

GaLaBau-Betriebe können mit geballtem Fachwissen auf das Thema Biodiversität einwirken

Aus Sicht des städtischen Amtes für Umwelt und Stadtgrün ist es wichtig, dass die Fachbetriebe die privaten Eigentümerinnen und Eigentümer beim Thema Artenvielfalt mitnehmen. Bei der Beratung, etwa zur Hauszufahrt, sollten sie sich dafür einsetzen, anstelle einer Komplettversiegelung eine Version zu wählen, bei der Wasser abfließen und Fugenvegetation entstehen kann. Sie können zum Beispiel auch regionales Saatgut verwenden oder empfehlen. Denn dieses Spezialwissen hat kein Tiefbauunternehmen. Hier liegt für GaLaBau-Betriebe eine Riesenchance.

Viele sehen das Thema naturnahe Gärten immer noch als Nische an. Dabei sollte es aus meiner Sicht längst für jeden Fachbetrieb zum Selbstverständnis gehören.   

Jeder Quadratmeter zählt! Die BGL-Initiative „Rettet den Vorgarten“ zeigt artenreiche grüne und blühende Alternativen zu (nur vermeintlich) „pflegeleichten“ Schotterflächen.

Foto: BGL/Luckner

Auch die BGL-Initiative „Rettet den Vorgarten“ zielt auf die Förderung von Artenvielfalt in den Städten ab. 2022 veranstaltete der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL) anlässlich des 5-jährigen Bestehens der Initiative einen Video-Wettbewerb mit dem Titel „Unsere grüne Straße lebt“.
Schirmherrin war Sabine Riewenherm, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), die bei der Preisverleihung betonte: „Wir brauchen dringend Flächen für den Schutz der Biodiversität. Auch Vorgärten können hier einen Beitrag leisten. Darum ging es in diesem Wettbewerb auch nicht nur um ästhetische, sondern auch um ökologische und klimatologische Aspekte von Vorgärten. Pflanzen bringen Farbe, Duft, Bewegung in die Vorgärten, sie verändern sich im Jahreslauf, sie schaffen Schatten und Kühle, wirken positiv auf die Luftqualität, sie bieten Nahrung und Lebensraum für Vögel, Schmetterlinge und viele weitere Insekten und sind damit Naturerfahrungsräume für Menschen.“

Bonn ist in einem Netzwerk für Biostädte aktiv und bei den Kommunen für biologische Vielfalt. Wie wird es weitergehen?

David Baier: Wichtig ist, dass alle Städte etwas tun und dass sich alle Akteurinnen und Akteure miteinander vernetzen, um Erfahrungen zu sammeln und sich auszutauschen. Dabei hat sich in der Umsetzung schon viel getan. So sind wir beispielsweise beim Umgang mit passendem Saatgut einen großen Schritt weiter. Die für mich spannendste Frage ist zugleich ein Wunsch: Wo ist der größte Hebel? Wo können wir mit unseren begrenzten Mitteln und Ressourcen bei der Biodiversitätsförderung die besten Erfolge erzielen?

„Wichtig ist, dass alle Städte etwas tun und dass sich alle Akteurinnen und Akteure miteinander vernetzen“

Blühfelder auf dem Südfriedhof

Insektenfreundliche Pflanzen leisten einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität. Ohne Bienen, Hummeln und Co. keine Bestäubung – mit weitreichenden Folgen für unsere Ernährung.

Foto: Bundesstadt Bonn

Vernetztes Denken und Handeln ist gefragt

Ich glaube, es braucht keinen Wettbewerb unter den einzelnen Siedlungsräumen, sondern eine sinnvolle Ergänzung. Schließlich haben wir alle den gleichen Auftrag, ob in der Wissenschaft oder als Gärtnerinnen und Gärtner: die Biodiversität in unseren Städten zu fördern und sie auch für die Menschen auf Dauer lebenswert zu gestalten.

Hier kommt übrigens auch den Lehr- und Versuchsgärten wieder eine neue Rolle zu. Wir wissen ja noch gar nicht, wie sich unser Klima vor Ort in den nächsten 15 Jahren verändern wird. Aber wir müssen ausprobieren, was geht und unser Wissen dazu teilen. Es reicht nicht, nur über einzelne Themen zu sprechen. Deshalb haben wir in Bonn angefangen, bei Freiraumplanungen alle angesprochenen Themen übereinanderzulegen. Ich glaube, das müssen alle machen, die die Entwicklung von Siedlungen begleiten. Denn das sektorale Denken ist im Ökosystem Stadt definitiv von vorgestern.

Blühfelder auf dem Südfriedhof

Foto: Bundesstadt Bonn

„Ich glaube, es braucht keinen Wettbewerb unter den einzelnen Siedlungsräumen, sondern eine sinnvolle Ergänzung.“

Zur Person:

David Baier leitet seit September 2020 das Amt für Umwelt und Stadtgrün der Stadt Bonn. Nach seiner Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau in Fulda absolvierte er ein Studium der Landespflege (Schwerpunkt Naturschutz und Landschaftsplanung) an der Fachhochschule Wiesbaden-Geisenheim sowie ein Studium der Landespflege (Schwerpunkt Stadtplanung) an der Universität Kassel. Anschließend war er als projektleitender Ingenieur für Landschaftsarchitektur und Stadtplanung im Biosphärenreservat Rhön tätig. Dann folgten weitere Stationen: jeweils die Abteilungsleitung im Fachbereich Grün der Stadt Peine, in den Themenfeldern „Freiraumplanung, Landschaftsarchitektur, Wald, Umweltbildung“ im Amt für Stadtgrün Bonn sowie die Amtsleitung im Amt für Umwelt, Lokale Agenda und Verbraucherschutz der Stadt Bonn.

Autorin: Conny Frühauf

Carsten Peters2023-12-22T11:02:56+01:00
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