Wissen um Pflanze und Boden nachhaltig pflegen und weitergeben

Der Gärtnerhof Jeutter ist mehr als ein Garten- und Landschaftsbaubetrieb: Darüber hinaus bewirtschaftet Familie Jeutter auch eine ökologische Stauden-Gärtnerei, einen Hofladen und einen Lehrgarten für Artenvielfalt. Fair, möglichst klimaschonend und naturbewusst - so führt Johannes Martin Jeutter das Unternehmen. Sein Wissen über Pflanzen, Böden und Biodiversität gibt er auf vielen Wegen weiter.

„Wer die Zusammenhänge in der Natur versteht, zwischen Böden, Pflanzen und Tieren, kann Gärten auf umweltfreundliche Art bewirtschaften. Dazu möchten wir im größtmöglichen Umkreis beitragen.“

Nicole un Martin Jeutters

Auf mehr als 2.500 Quadratmetern kultivieren die Jeutters und ihr Team langlebige und insektenfreundliche Pflanzen wie Stauden, Kräuter, Clematis, Rosen und Gehölze. Die ökologisch produzierten Pflanzen verkaufen sie vor Ort und setzen sie bei ihren Gartenbau-Aufträgen ein.

Der Gärtnerhof Jeutter in Göppingen war drei Jahre lang Forschungspartner bei einem Projekt zum Schutz der biologischen Vielfalt in Städten und Gemeinden: Wissenschaftler*innen der Universität Hohenheim und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Heidelberg untersuchten von 2020 bis 2022, welche Pflanzen besonders viele Bienen und andere bestäubende Insekten anziehen. Dabei forschten sie unter anderem auf dem Gelände des Gärtnerhofs und in einigen Gärten von Jeutters Kund*innen. Aus den Ergebnissen entstand ein Leitfaden zu bestäuberfreundlichen Pflanzungen im Siedlungsraum.

Artenvielfalt gewinnt: Jede Pflanze hat ihren Nutzen

Projekte wie diese liegen Garten- und Landschaftsbaumeister Johannes Martin Jeutter am Herzen. Der 57-jährige Inhaber und Geschäftsführer des Gärtnerhofs kennt sich nicht nur mit Artenvielfalt, insektenfreundlichen Pflanzungen, ökologischer Düngung und umweltschonender Schädlingsbekämpfung aus. Er weiß auch, wie sich Böden auf natürliche Weise bearbeiten und Gärten wassersparend pflegen lassen. Sein Wissen weiterzugeben, ist ihm sehr wichtig. „Wer die Zusammenhänge in der Natur versteht, zwischen Böden, Pflanzen und Tieren, kann Gärten auf umweltfreundliche Art bewirtschaften“, sagt Jeutter. „Dazu möchten wir im größtmöglichen Umkreis beitragen.“ Entsprechend lautet seine Maxime: Jede Pflanze hat ihren Nutzen, und Natur sollte nicht dauernd aufgeräumt werden.

Die Azubis sind für den Gemüsegarten zuständig. Sie haben ihn angelegt, pflegen ihn und ernten dort auch mal Zutaten fürs gemeinsame Mittagessen.

„Vielfalt im Team erhöht die Leistungsbereitschaft und das soziale Engagement einzelner Mitarbeiter*innen ungemein. Und es schafft mehr Spaß bei der Arbeit.“

Der Jeutter-Wildobstpfad ist für alle offen

Vor Jahren haben Martin Jeutter, seine Frau Nicole und ihr Team einen Garten angelegt, in dem seltene Wildobst-Sorten wachsen und zahlreiche Insekten- und Vogelarten leben. Der Jeutter-Wildobstpfad ist offen für alle: Wer will, kann dort spazieren gehen und lernt mehr über biologische Vielfalt, das Zusammenwirken der Arten und darüber, wie ein Lebensraum funktioniert. Dazu organisieren die Jeutters auch Führungen über den Wildobstpfad. Wenn die Früchte reif sind, können Besucher*innen selbstgemachte Fruchtaufstriche probieren. „So machen die Menschen Geschmackserfahrungen, die sie möglicherweise ungewöhnlich finden - aus Sorten, die bei uns absolut gut gedeihen“, sagt Martin Jeutter. „Etwa ein Gelee aus Kornelkirschen oder eine Rosenmarmelade.“

„Unternehmen sollten das Neue immer als Chance sehen, ob beim Umweltschutz oder bei Umbrüchen in der Gesellschaft. So bleiben sie fit für die nächste Generation – und überhaupt für die Zukunft.“

Feste feiern, Wissen weitergeben

Die Jeutters und ihr Team aus etwa 35 Mitarbeiter*innen  feiern Winterfeste, Frühlingsfeste und veranstalten jedes Jahr einen Herbstmarkt. Dann sind Interessierte eingeladen, mehr über den Hof, über Bioprodukte und naturnahes Gärtnern zu erfahren. Auch in Vorträgen und bei Seminaren geben Martin und Nicole Jeutter ihr Wissen weiter. Dort erklären sie Gartenbesitzer*innen, was sie selbst für die Insektenwelt tun können, wie sie ihren Gartenboden widerstandsfähiger gegen Trockenheit machen und Pflanzen wassersparend gießen. Nicole Jeutter führt in Kursen Kinder an die Natur heran, macht Feuer, sammelt Kräuter und kocht mit ihnen. Häufig finden die Vorträge und Kurse in Zusammenarbeit mit den Umweltschutzorganisationen Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (B.U.N.D) und der örtlichen Volkshochschule statt.

Martin Jeutters Frau Nicole ist gelernte Erzieherin und Gärtnerin. Auf dem Gärtnerhof ist sie unter anderem zuständig für Organisation und Betrieb des Hofladens. Dort verkaufen die Jeutters Selbstgemachtes von ihrem Hof, Bio-Lebensmittel und Wein aus der Region sowie nachhaltig hergestellte Produkte für Haus und Garten, von denen sie selbst überzeugt sind.

Gesellschaftliches Engagement gehört zum Unternehmer-Leben

In all diesen Vereinen und Institutionen ist Martin Jeutter selbst aktiv, engagiert sich im Vorstand oder in Beiräten. Außerdem ist er Regionalvorsitzender des VGL Baden-Württemberg. Auch dieses Verbandsnetzwerk nutzt er, um Wissen und Erfahrungen zu teilen: „Ich versuche, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ökologisch etwas zu voranzubringen.“ Beispielsweise ist ihm wichtig, die Themen Bienenweide und insektenfreundliche Pflanzungen, Artenvielfalt und Klimaschutz in der Verbandsarbeit stärker zu verankern. Denn, so seine Erfahrung aus der täglichen Arbeit, diese Themen stünden bei den Menschen gerade hoch im Kurs: „Da sollten wir als Berufsverband einen Fuß in die Tür kriegen.“

„Ich lebe ja auch von positiven Rückmeldungen und Emotionen, davon, dass die Leute zu mir kommen und sagen: Der Garten ist toll geworden! Daraus ziehe ich sehr viel Motivation.“

Sozialer Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl sind das A und O

Und wann hat Martin Jeutter mal frei? Ehrenamtliches Engagement sei keine Arbeit, keine Pflicht für ihn, sondern ein selbstverständlicher Teil seines Lebens, sagt Jeutter: „So bin ich erzogen worden.“ Seine Eltern und Großeltern hätten sich immer ehrenamtlich eingesetzt. So war sein Großvater viele Jahre lang Stadtrat und Kreisrat in Göppingen. Sein Haus habe immer offen gestanden für Menschen, die Rat oder Unterstützung brauchten. Sozialer Zusammenhalt ist Jeutter wichtig: „Ich habe das Glück, dass wir eine super Familie sind, mit vier tollen Kindern, zwei Töchtern, zwei Söhnen. Meine Söhne, jetzt 19 und 25 Jahre, haben bei uns ihre Ausbildung zum Landschaftsgärtner gemacht. Das war eine schöne Zeit. Das familiäre Gemeinschaftsgefühl versuchen meine Frau und ich auch in die Firma hineinzutragen. Und in alle Verbände und Netzwerke, in denen wir aktiv sind. Denn es geht uns allen am besten, wenn wir miteinander sprechen und gemeinsam einen Konsens finden.“

Das Bewusstsein für Umweltschutz und ökologische Zusammenhänge habe ebenfalls eine lange Tradition in seiner Familie, erzählt Jeutter. Sein Urgroßvater gründete den Gartenbau-Betrieb 1907. „Jede Generation hat bisher die Leidenschaft für Pflanzen und Boden, für Steine und Holz geprägt – für alles, aus dem sich Gärten nachhaltig und ganzheitlich bauen lassen.“

„Jede Pflanze hat ihren Nutzen, und Natur sollte nicht dauernd aufgeräumt werden.“

Die Jeutters und ihr Team haben einen Garten angelegt, in dem seltene Wildobst-Sorten wachsen und zahlreiche Insekten- und Vogelarten leben. Wer will, kann dort spazieren gehen und lernt mehr über biologische Vielfalt, das Zusammenwirken der Arten und darüber, wie ein Lebensraum funktioniert.

Nachhaltiger Gartenbau: Neue Ästhetik aus alten Steinen

Nachhaltiger und ganzheitlicher Gartenbau bedeutet für Martin Jeutter unter anderem: mit dem arbeiten, was vorhanden ist. „Ich versuche, nicht alles wegzuwerfen. Gebrauchtes Material finde ich immer total klasse, denn da steckt ja unglaublich viel Arbeit drin“, führt er aus. Idealerweise können Jeutter und sein Team Vorhandenes in die Gestaltung integrieren: beispielsweise Steinplatten oder historische Mauersteine, die neu verbaut werden. „Zurzeit versuchen wir möglichst oft, altes Terrassenholz für Sichtschutzelemente zu verwenden. Holz, das noch so gut erhalten ist, dass es – von oben leicht gegen Regen geschützt – die nächsten 20, 30 Jahre hält. Also genauso lange wie ein neuwertiges Sichtschutzelement. Das gibt dann natürlich einen anderen Effekt, eine andere, besondere Ästhetik“, so Jeutter.

Zum Service für die Kundschaft gehört das Angebot, sich jederzeit mit Fragen an das Jeutter-Team wenden zu können. Auch das ist für den Unternehmenschef ein Weg, Wissen weiterzugeben und ein Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln. „Die Kundinnen und Kunden können eine Mail schicken, am besten mit Fotos, und dann stehen wir mit Rat und Tat zur Seite. Das ist für mich ganz wichtig. Denn ich lebe ja auch von positiven Rückmeldungen und Emotionen, davon, dass die Leute zu mir kommen und sagen: Der Garten ist toll geworden! Daraus ziehe ich sehr viel Motivation.“

 

„Jede Generation hat bisher die Leidenschaft für Pflanzen und Boden, für Steine und Holz geprägt - für alles, aus dem sich Gärten nachhaltig und ganzheitlich bauen lassen.“

Sozial nachhaltig: „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“

Ganzheitliches und faires Wirtschaften bedeutet für Martin Jeutter auch: persönlicher Einsatz für die Mitarbeiter*innen. „Wir beschäftigen auch Menschen mit sozialen und psychischen Schwierigkeiten“, erzählt er. „Seit 2015 stellen wir außerdem Menschen mit Fluchtgeschichte ein und bilden sie aus. Das hat extrem zur Offenheit im Team beigetragen. Diese Vielfalt erhöht die Leistungsbereitschaft und das soziale Engagement einzelner Menschen ungemein. Und es schafft mehr Spaß bei der Arbeit.“ Der Zusammenhalt wird zudem dadurch gestärkt, dass die ausgebildeten Gärtner*innen im Team den Azubis, wenn nötig und gewünscht, ehrenamtlich Nachhilfe geben. Martin Jeutter hat erlebt, wie einige seiner Mitarbeiter*innen dadurch ihre Vorurteile gegenüber geflüchteten Menschen abgelegten.

Das Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge “, in dem Jeutter sich engagiert, ernannte ihn 2019 zum Regionalbotschafter für Baden-Württemberg. In dieser Rolle gibt er seine Erfahrungen an Unternehmen in der Region weiter. Und was rät er ihnen? „Wichtig ist, stets offen zu sein, Probleme immer gleich anzusprechen“, sagt Martin Jeutter. „Unternehmen sollten das Neue immer als Chance sehen, ob beim Umweltschutz oder bei Umbrüchen in der Gesellschaft. So bleiben sie fit für die nächste Generation – und überhaupt für die Zukunft.“

Ausgezeichnet konsequent

Für seine Konsequenz in puncto ökologische und soziale Nachhaltigkeit wurde der Gärtnerhof Jeutter mehrfach ausgezeichnet. Im Dezember 2022 erhielten Martin und Nicole Jeutter und ihr Team den Umweltpreis des Landes Baden-Württemberg in der Kategorie Handwerk  für ihr Engagement im betrieblichen Umweltschutz. Das Land Baden-Württemberg verlieh ihnen den Preis zum einen dafür, dass sie ihre Aufträge so konsequent wie möglich ökologisch ausführen. Zum anderen gestalten und bewirtschaften sie ihr eigenes Betriebsgelände umweltschonend und klimafreundlich. Dazu gehört beispielsweise:

  • Gießen von Hand und Verzicht auf Beregnungsanlagen von oben: Das Wasser zum Gießen und für die Sanitäranlagen des Gärtnerhofs wird in Zisternen gesammelt.
  • Verwendung von ökologischen Düngemitteln aus der Region.
  • Ökologische Bekämpfung von Schädlingen mit biologischen Mitteln und Nützlingen, die ebenfalls aus der Region stammen.
  • Klimaschonendes Heizen: Beheizt wird der Gärtnerhof ausschließlich mit eigenen Holzabfällen. Auch Warmwasser wird hierüber gewonnen.
  • Klimaschonende Stromerzeugung: Eine eigene Photovoltaikanlage produziert deutlich mehr Strom als der Gartenbau-Betrieb benötigt. Der Strom wird ins Netz eingespeist.
  • Umwelt- und klimafreundlicher Transport: Fahrzeuge werden so effizient wie möglich eingesetzt, beispielsweise beim Warentransport und auf den Baustellen. Der Gärtnerhof versucht, Fahrten zu bündeln. In Jeutters Fuhrpark gibt es außerdem vier Elektro-Autos.
  • Einsatz von Waren und Materialien mit Bio- und Fair-Trade-Siegel sowie von recycelten Materialien: beispielsweise bei Baustoffen für die Gärten, bei Betriebskleidung und Büromaterialien.

Bereits 2018 hatte Gärtnerhof Jeutter den LEA-Mittelstandspreis für soziale Verantwortung  gewonnen: Damals verlieh das Land Baden-Württemberg den Preis für die verantwortungsvolle Unternehmensführung  und das herausragende gesellschaftliche Engagement  des GaLaBau-Unternehmens.

Autorin: Kirsten Lange

Fotos: Martin Rottenkolber

Carsten Peters2023-12-04T12:42:22+01:00
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