Neues Arbeitszeitmodell im GaLaBau: Vier-Tage-Woche bei übertariflicher Bezahlung?
Nach einer kurzen beruflichen Findungsphase entschied sich Thomas Georg (60) für den Beruf des Landschaftsgärtners. „Schon nach einer Woche wusste ich: Das ist es!“ erinnert sich Georg mit immer noch hörbarer Begeisterung. Nach Jahren als Vorarbeiter in großen Unternehmen machte er sich mit dem Meister in der Tasche Ende der ‘80er selbstständig.
Schon damals engagierte er sich besonders für das Thema „Ausbildung“, auch ehrenamtlich und bis heute als Mitglied im GaLaBau-Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland. Dabei bleibt Georg offen für die Bedürfnisse und Ideen junger Menschen. Im Oktober 2022 hat er die Vier-Tage-Woche eingeführt.
Was vor 35 Jahren mit einem kleinen Team aus drei Mitarbeiter*innen startete, wuchs zwischenzeitlich auf 15 Arbeitskräfte. Doch nach zehn Jahren mit dem Schwerpunkt gewerbliches Grün/Wohnungsbau entschied sich Georg bewusst für eine Neuausrichtung „zurück zu den Wurzeln“.
Persönliche Foto-Doku zur Rechnung
Heute setzt er mit einem kleinen Team hochwertige Privatgärten um: vom Erstgespräch bis zur Anlage und dauerhaften Pflege. Thomas Georg hat Freude daran, die ersten Entwürfe selbst mit der Hand zu zeichnen und den Garten von der Idee bis zur Ausführung zu begleiten. „Die Kundschaft kommt heute von selbst,“ erzählt er. Denn seine Gärten haben eine eigene „Handschrift“, farbenfroh und mit Filzstiften „vom Chef“ persönlich skizziert – und mit besonderem „Extra“: Zu jedem fertigen Gartenprojekt gibt es mit der Rechnung eine Foto-Doku dazu. Darin: die Entstehungsgeschichte ihres Gartens durch verschiedene (Bau- und Pflanz-)Phasen.
Seine Ehefrau arbeitet ebenfalls von Anfang an mit im Betrieb. Die beiden Söhne sind auf dem Betriebsgelände groß geworden. Mittlerweile haben beide zwar andere Karrierewege eingeschlagen, aber mit dem Vater bleiben sie auch beruflich im Gespräch. Gern lässt er sich von ihnen beraten, insbesondere zur Digitalisierung. Dabei wurde ihm klar: „Die junge Generation hat eigene, neue Vorstellungen von Karriere und der Work-Life-Balance, will zum Beispiel flexibler arbeiten.“ So erlebt der Vater, wie seine Söhne als Europäer und „Digital Natives“ ganz anders mit den Chancen von Online-Kommunikation im Beruf, mobilem Arbeiten und Arbeitszeitgestaltung umgehen.
„Durch die flexiblere Arbeitszeitgestaltung ist die Motivation meines Teams größer als vorher.“
Pionier für flexibles Arbeiten im GaLaBau
„Vor einem halben Jahr habe ich die Vier-Tage-Woche erfolgreich in meinem Betrieb eingeführt – übrigens bei übertariflicher Bezahlung“, erzählt Thomas Georg, der weiß, dass er damit ein Pionier in der Branche ist. „Denn mir liegt es sehr am Herzen, neue Wege zu gehen, auf junge Menschen zuzugehen und sie dauerhaft für den Beruf Landschaftsgärtnerin und Landschaftsgärtner zu gewinnen.“ Und dazu gehört für ihn eben auch, Visionen des beruflichen Nachwuchses ernst zu nehmen.
Dennoch: Auch Thomas Georg stand der Idee flexibler Arbeitszeitmodelle, gar einer Vier-Tage-Woche, anfangs skeptisch bis ablehnend gegenüber. Schon vor zwei Jahren begann der Prozess, der erst im Herbst 2022 in ein Ergebnis mündete. Als vor zwei Jahren sein Vorarbeiter, der seit 30 Jahren im Betrieb ist, schwer erkrankte und lange ausfiel, war das eine harte Zeit für Georg. „Wir ergänzen uns top; ich kann mich auf die Angebotsseite konzentrieren und mich für alles andere blind auf ihn verlassen.“ Damals habe er sogar überall, auch in sozialen Netzwerken, gesucht, um Ersatz zu finden, während er parallel beide „Jobs“ machte. Gleichzeitig recherchierte der Betrieb zu Erfahrungen mit neuen Arbeitszeitmodellen im Handwerk, und Georg tauschte sich dazu intensiv mit seinem Sohn aus, der mittlerweile bei einem großen Discounter im Management arbeitet. Als dann eine Mitarbeiterin mit dem Wunsch auf den „Chef“ zukam, nur noch vier Tage zu arbeiten, entwickelte dieser gemeinsam mit der „Personalchefin“, seiner Ehefrau, ein neues, flexibles Arbeitszeit-Modell.
Jeder Freitag ist „Frei-Tag“: das GaLaBau-Georg-Modell
Nachdem das Steuerbüro die damit verbundenen Lohnabschläge errechnet hatte, stellten sie das Modell ihrem Team vor: Ab Anfang 2022 reduzierte Georg die Wochenarbeitszeit zunächst auf 39 Stunden (statt 40). Seit Oktober hat der Betrieb nochmal von 39 Stunden auf 37 Stunden Wochenarbeitszeit gekürzt. Damals erklärte Georg seinen Mitarbeiter*innen. Das macht – unter’m Strich – nur eine geringe Summe aus. „Dafür habt Ihr einen Tag pro Woche mehr Familien- und Freizeit und braucht nicht zu fahren.“ Nach zweimonatiger Pilotphase sagten die Mitarbeiter*innen einstimmig: „Super, Chef! Bitte lass´ uns das so beibehalten.“
Heute ist jeder Freitag ein „Frei-Tag“. Auch Thomas Georg selbst profitiert von den neuen „Frei-Räumen“ – persönlich und unternehmerisch. Sein Team will er jetzt weiter ausbauen und sich selbst wieder mehr auf die Unternehmensführung konzentrieren. Mit der Vier-Tage-Woche wird er sich auch von der Konkurrenz um Fachkräfte abheben, da ist er zuversichtlich: „Es gibt ein Umdenken in der Gesellschaft und die Forderung, Arbeitszeit individueller gestaltbar zu machen. Fachkräftemangel und der demografische Wandel machen das nötig.“
Weniger Gesamtarbeitszeit, mehr Unternehmenserfolg?
Aber sind „schrumpfende“ Gesamtarbeitszeiten nicht ein Zeichen für mangelnde Leistungsbereitschaft und abnehmenden unternehmerischen Erfolg? Solche Fragen hört Georg jetzt öfter: „Dabei erlebe ich das Gegenteil: Durch die flexiblere Arbeitszeitgestaltung ist die Motivation meines Teams größer als vorher. Denn Donnerstagabend ist Schluss, keine Diskussion. Wenn dann aber mal eine Stunde länger nötig ist, ist jedes Teammitglied dazu bereit. Ich sehe vor allem, dass wir insgesamt effizienter geworden sind.“
Dabei steht Thomas Georg nicht für „Laissez-Faire“ als Arbeitgeber. „Wenn ich eine Baustelle kalkuliert habe, plane ich anschließend für mein Team das Zeit-Leistungsverzeichnis“, erläutert er. „Darin muss jede und jeder die maximal kalkulierte Zeit einsehen können. Wenn es da einen Hinweis auf Probleme gibt, heißt das: Sofort Rücksprache mit mir!“ So hat jedes Teammitglied einen Anteil daran und auch Verantwortung dafür, dass das Projektziel erreicht wird.
Vier-Tage-Woche im GaLaBau: keine Einbußen, großer Gewinn!
Und wie lautet sein unternehmerisches Zwischenfazit nach sechs Monaten mit der Vier-Tage-Woche? „Bislang haben wir keine Einbußen“, resümiert Georg. „Gerade erst haben wir mit einem kleinen Team eine große Baustelle überaus flott abgewickelt, das habe ich wie üblich sehr stringent überwacht.“
Zu saisonbedingten Spitzenzeiten könnte der Betrieb bei Bedarf zwar auch mal über die Regelarbeitszeiten hinausgehen. Aber früher waren das dann eben die Samstage, heute sind es die Freitage. „Insgesamt sehe ich die Umstellung jetzt schon als großen Gewinn: Viele Dinge werden leichter, die Motivation ist größer. Gleichzeitig ist das Bewusstsein für Prozesse und die eigene Verantwortung jedes einzelnen Teammitglieds im Betrieb deutlich gewachsen.“ Und der Umsatz? „Selbst wenn der Umsatz zeitweise niedriger ausfällt: Umsatz ist ja nicht gleich Gewinn“, sagt Georg und klingt dabei sehr zufrieden.
Neue Ideen für Unternehmensnachfolge
Und schon denkt er darüber nach, wie er Mitarbeitermotivation und -bindung künftig weiter stärken kann: „Zum Beispiel überlegen wir ein Prämiensystem einzuführen.“
Mit Anfang 60 rückt für Thomas Georg auch das Thema „Rente“ näher: „Ich will in den kommenden fünf Jahren eine Nachfolgelösung finden. Am besten gefallen würde mir, wenn ein leitender Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Geschäft übernimmt – oder vielleicht sogar ein Team oder Tandem?“ Bei Bedarf würde er gern als eine Art Senior Consultant oder Mentor die Nachfolger*innen beraten und von seinem großen Netzwerk profitieren lassen, sich aber aus dem Tagesgeschäft heraushalten.
„Die Vorteile der Verbandsmitgliedschaft liegen für mich heute klar auf der Hand: Schutz, Vertretung durch Fachverband, ein starkes Netzwerk.“
Stärken und Vorteile flexibler Arbeitszeitmodelle (nicht nur) im GaLaBau
Autorin: Katrin Block
Fotos: Martin Rottenkolber