„Jetzt geh ich ins Management!“: betriebliche Nachfolge per Matching

Alle Fotos: Hochschule Osnabrück

Eine Studie der DIW ECON (das Consulting-Unternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) zur Nachfolge im Baugewerbe zeigt: Rund 47 Prozent aller Inhaber*innen wollen sich bis 2030 zurückziehen. Jeder zweite Betrieb sucht eine passende Nachfolge. Doch wie findet man die? Ein Pilotprojekt der Hochschule Osnabrück bietet dazu einen vielversprechenden Ansatz.

Herr Prof. Meinen, Sie leiten an Ihrer Hochschule ein Projekt zum Thema Unternehmensnachfolge, das der BGL unterstützt. Wie ist die Idee dazu entstanden?  

Nachfolgeregelung – für viele eine Riesenherausforderung

Prof. Heiko Meinen: In den nächsten Jahren werden unzählige Unternehmen geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger suchen. Als Hochschule sehen wir eine mögliche Lösung darin, Studierende für eine Unternehmensnachfolge zu gewinnen. Einige von ihnen übernehmen den familieneigenen Betrieb. Andere planen den Weg in die Selbstständigkeit. Dabei könnten sie einfach einen bestehenden Betrieb übernehmen. Darum haben wir 2021 das Programm „Jetzt geh ich ins Management!“ ins Leben gerufen. Durch ein Matchingverfahren, also eine Art Passungsverfahren, wollen wir auf beiden Seiten geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zusammenbringen.

HR-Gebäude in Haste

Das Modellprojekt ist ein Zusatzangebot zu den Studiengängen Baubetriebswirtschaft und Landschaftsbau der Hochschule Osnabrück.

„Viele Unternehmen scheuen sich davor, sich mit ihrem Nachfolgeproblem zu outen.“

Durch Matching schneller geeignete Kandidat*innen finden

Wie funktioniert dieses Matching? Nutzen Sie Softwareprogramme?  

Prof. Heiko Meinen: Nein, das ist alles handverlesen! Anfangs befürchteten wir, unsere Studierenden könnten schwer für die Teilnahme am Programm zu begeistern sein. Stattdessen kommen die Unternehmen bei diesem Thema eher schleppend aus der Reserve! Dabei scheint es im GaLaBau noch leichter zu sein als im Baugewerbe. Viele scheuen sich davor, sich mit ihrem Nachfolgeproblem zu outen. Aus diesem Grund müssen wir erst einen Kontakt zu den Unternehmen anbahnen und sie über das Programm informieren. Unter den Studierenden haben wir inzwischen genug Interessierte, auch, weil wir regelmäßig Informationsveranstaltungen durchführen. Wir legen für beide Seiten Profile an, in denen es auch um Ziele und Erwartungen geht. Anschließend suchen wir nach Übereinstimmungen.

„Unter den Studierenden haben wir inzwischen genug Interessierte.“

Das Programm „Jetzt geh ich ins Management!“ versteht sich als Brücke zwischen Studierenden und Unternehmen.

Unternehmensnachfolge als Karrieresprung

Wie könnten GaLaBau-Betriebe auf der Suche nach einer Nachfolgelösung von diesem Programm profitieren?

Prof. Heiko Meinen: Das Thema ist meist sehr emotional besetzt. Wer über Jahrzehnte einen Betrieb aufgebaut hat, gibt diesen nicht einfach in fremde Hände ab. Zugleich schwingt die Angst mit, die Konkurrenz könnte vorzeitig von der Nachfolgesuche erfahren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwerben. Dann würde der Wert des Unternehmens sinken. Einige glauben auch, junge Menschen würden die Verantwortung einer Inhaberposition scheuen. Unsere Befragungen zeigen jedoch, dass es genug Studierende gibt, die zu diesem Schritt bereit wären. Auch wenn der größere Teil von ihnen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anstrebt. Allerdings bietet letzteres wenig Karriereoptionen. In einem kleineren Betrieb bleibt vielleicht die Bauleitung, mehr nicht.

Die „Chemie“ muss stimmen

Der Vorteil unseres Programms ist, dass wir über das Matchingverfahren auf beiden Seiten Übereinstimmungen identifizieren können. All das geschieht absolut vertraulich. Im nächsten Schritt werden anonymisierte Profile ausgetauscht, die sich die Beteiligten in Ruhe ansehen können. Natürlich muss die „Chemie“ zwischen beiden Seiten stimmen. Deshalb legen wir großen Wert auf die praktische Zusammenarbeit mit dem Betrieb. Fachlich sind unsere Absolventinnen und Absolventen, vor allem aus den Masterstudiengängen, sehr gut aufgestellt. Sie bringen eine Menge betriebswirtschaftliches Wissen mit. Zudem vermitteln wir weitere Anlaufstellen, die z.B. Know-how für die Unternehmensführung und Beratung anbieten können. Darüber hinaus begleiten wir die Studierenden und den Prozess weiter aus einer Lotsenrolle heraus, wenn beide Seiten schon zusammengefunden haben.

„Das Konzept könnte auch für andere Hochschulen interessant sein.“

Bild von Studierenden des Bachelorstudiengangs "Ingenieurwesen im Landschaftsbau"

Das Modellprojekt „Jetzt geh ich ins Management!“ startete 2021 an der Hochschule Osnabrück.

Wann sollte man sich um die Nachfolge bemühen?

Rechtzeitig mit der Suche beginnen

Prof. Heiko Meinen: Wer ein Unternehmen leitet, sollte sich rechtzeitig Gedanken über die Nachfolge machen. Am besten bereits mit Mitte 50, wenn man mit Mitte 60 aufhören möchte. Fünf bis zehn Jahre sind eine realistische Zeitspanne für diesen Prozess. Unser Programm zielt darauf ab, unsere Studierenden schon früh an ein Unternehmen zu binden und den Übernahmeprozess während und nach dem Studium zu begleiten. Sie müssen langsam in diese Aufgabe hineinwachsen. Wir können diesen Prozess von hier aus anschieben. Das ist auch für GaLaBau-Betriebe eine Riesenchance.

Welche Erfahrung haben Sie bislang mit dem Programm gemacht?

Prof. Heiko Meinen: Das Modellprojekt ist eine Art Versuchslabor. Wir probieren Dinge aus, beobachten und lernen. Zunächst geschieht das im Umkreis von Osnabrück. Viele unserer Studierenden haben einen lokalen Bezug und suchen sich bevorzugt Unternehmen in der Nähe. Allerdings nehmen auch überregional angesiedelte Betriebe am Programm teil. Und wir haben auch Studierende aus ganz Deutschland. Also ist eine überregionale Vermittlung nicht ausgeschlossen.

Vorläufige Bilanz: positiv!

Bislang hat sich das Projekt positiv entwickelt. Das Interesse der Studierenden ist geweckt. Aber wir brauchen mehr Unternehmen, die wir vermitteln können. Deshalb müssen wir das Programm über Verbände, Innungen, Kammern und Meister- und Technikschulen bekannter machen. Zudem hoffen wir, dass mehr Betriebe die Chance erkennen, sich für ihre Suche nach einer Nachfolgelösung an eine Hochschule zu wenden. Nach Projektende im Februar 2024 wird es einen Abschlussbericht geben. Wenn die Bilanz insgesamt positiv ausfällt, könnte das Konzept auch für andere Hochschulen interessant sein.

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„Jetzt geh ich ins Management!“ – Studieren und Unternehmensnachfolger*in werden

Das Programm „Jetzt geh ich ins Management!“ will potenzielle Nachfolge-Kandidat*innen und Unternehmen zusammenbringen und eine erfolgreiche Übergabe begleiten. Das Pilotprojekt ist ein Zusatzangebot zu den Studiengängen Baubetriebswirtschaft und Landschaftsbau der Hochschule Osnabrück. Es wird dort im Forschungsbereich Betriebswirtschaft im Bauwesen durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Als weitere Partner agieren der Baugewerbe-Verband Niedersachsen und der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL). Grundsätzlich können sich alle Kandidat*innen mit einer Hochschulzugangsberechtigung und abgeschlossener Berufsausbildung auf das Nachwuchsprogramm bewerben. Die Bewerbung für Unternehmen ist jederzeit möglich. Studierende entscheiden im Laufe des Studiums, ob sie an dem Programm teilnehmen möchten und werden durch ein gesondertes Wahlpflichtmodul auf eine Unternehmensnachfolge vorbereitet. Die Kontaktaufnahme zwischen Unternehmen und Studierenden wird über den Lehrstuhl sichergestellt und begleitet.

Zur Person:

  • Prof. Dr.-Ing. Heiko Meinen, Hochschule Osnabrück, Fakultät A&L, Lehr- und Forschungsbereich Betriebswirtschaft im Bauwesen
  • langjährige Geschäftsführertätigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft
  • über 15 Jahre Beratungserfahrung
  • Autor zahlreicher Veröffentlichungen im Bau- und Immobilienbereich

Autorin: Conny Frühauf

Carsten Peters2023-12-22T11:09:27+01:00
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