Foto: NABU/Christine Kuchem
Urbane Gärten gewinnen immer mehr an Bedeutung, ökologisch wie gesellschaftlich. Doch was macht sie eigentlich so besonders für die Artenvielfalt? Welche Rolle spielen sie im Zusammenspiel mit Klimaanpassung, sozialer Teilhabe und moderner Stadtgestaltung?
Wir haben darüber mit dem Präsidenten des NABU, Jörg-Andreas Krüger, gesprochen. Im Interview beleuchtet er, wie Stadtgärten zur ökologischen Qualität urbaner Räume beitragen und welche Chancen sich daraus auch für Unternehmen im Garten- und Landschaftsbau ergeben. Ein Gespräch über Gestaltungsspielräume, Pflanzenvielfalt und die Zukunft grüner Städte.

Jörg-Andreas Krüger ist seit 2019 Präsident des Naturschutzbundes Deutschland e. V. (NABU). Foto: Guido Rottmann
Herr Krüger, welchen konkreten Beitrag leisten Stadtgärten zur Förderung der Biodiversität im urbanen Raum?
Jörg-Andreas Krüger: Stadtgärten sind wahre Hotspots der biologischen Vielfalt, insbesondere in dicht bebauten Quartieren. Anders als stark versiegelte Flächen bieten diese Gärten, wenn sie naturnah gestaltet sind, Rückzugsräume und Nahrung für Insekten, Vögel, Igel und Amphibien. Zudem binden sie CO₂, filtern Schadstoffe und kühlen ihre Umgebung – ein Gewinn für Mensch und Natur.
Naturnah gestaltete Stadtgärten sind Ruckzugsorte und Nahrungsquellen für Insekten, Vögel, Igel und Amphibien. Foto 1: NABU/ C. Kuchem; Foto 2: NABU/Eric Neuling; Foto 3: Hubertus Schwarzentraub
„Stadtgärten sind wahre Hotspots der biologischen Vielfalt“
Wie unterscheiden sie sich ökologisch von klassischen Parkanlagen oder anderen Grünflächen?
Jörg-Andreas Krüger: Der entscheidende Unterschied liegt in der Strukturvielfalt und Pflegeintensität. Stadtgärten sind meist weniger „aufgeräumt“ als Parkanlagen. Das ist gut so! Totholz, Wildpflanzen, temporär brachliegende Flächen oder Wildblumenwiesen finden sich dort häufiger. Klassische Parks hingegen sind oft stark durch Gestaltung, Rasenpflege und Zierpflanzen geprägt, was die ökologische Funktion einschränkt.
Trend zu partizipativer Stadtbegrünung
Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie aktuell in Städten, die das Potenzial von Stadtgärten für Natur und Mensch neu definieren?
Jörg-Andreas Krüger: Wir sehen erfreulicherweise einen Trend zur partizipativen Stadtbegrünung: Urban Gardening, essbare Städte, Dachgärten und Gemeinschaftsgärten gewinnen an Bedeutung. Immer mehr Kommunen erkennen, dass Bürgerengagement in Grünräumen nicht nur die Biodiversität fördert, sondern auch das soziale Miteinander stärkt. Auch die Integration solcher Gärten in Klimaanpassungsstrategien nimmt zu – ein wichtiger Schritt.
Wie verändert der Klimawandel aus Ihrer Sicht die Anforderungen an urbane Grünräume?
Jörg-Andreas Krüger: Der Klimawandel zwingt uns zum Umdenken: Städte müssen hitzeresilienter, wassersensibler und grüner werden. Stadtgärten können dabei eine Schlüsselrolle spielen, etwa durch wasserspeichernde Böden, klimaangepasste Pflanzen oder Beschattung. Wichtig ist: Vielfalt schützt! Je vielfältiger die Flora, desto robuster sind die Gärten gegenüber Extremwetter.
Foto: NABU/Eric Neuling
Stadtgärten müssen multifunktional gedacht werden
Welche Chancen eröffnen sich dadurch für biodiversitätsfördernde Stadtgärten?
Jörg-Andreas Krüger: Wenn Stadtgärten als multifunktionale Flächen gedacht werden – also ökologisch, sozial und klimapolitisch –, dann werden sie zu strategischen Bausteinen einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung. Durch gezielte Förderung naturnaher Strukturen entstehen resiliente Biotope mitten in der Stadt, die Menschen in Kontakt mit Natur bringen und gleichzeitig zur Klimaanpassung beitragen.
Der GaLaBau als Vorreiter
Was kann die Branche des Garten- und Landschaftsbaus dazu beitragen, dass Stadtgärten stärker als strategisches Element in Stadtentwicklung und kommunalen Biodiversitätskonzepten verankert werden?
Jörg-Andreas Krüger: Die Branche kann Vorreiter sein, indem sie Planungsprozesse stärker ökologisch denkt: heimische Pflanzen statt Exoten, Strukturvielfalt statt Monokultur, extensive Pflege statt Dauerpflege. Es braucht zudem mehr Schulung und Bewusstsein für naturschutzfachliche Anforderungen. Landschaftsarchitekt*innen und Landschaftsgärtner*innen sollten die Biodiversitätsstrategien in Kommunen mitgestalten und nicht nur umsetzen.
Was wünschen Sie sich persönlich von der grünen Branche, wenn es um die Gestaltung nachhaltiger, biodiversitätsfreundlicher Städte geht?
Jörg-Andreas Krüger: Ich wünsche mir Mut zu mehr Wildnis, Kreativität im Umgang mit urbanem Raum und echte Partnerschaft mit dem Naturschutz. Die grüne Branche hat enormes Potenzial, Impulse zu setzen – hin zu Städten, in denen Mensch und Natur nicht getrennt, sondern verbunden gedacht werden. Dafür braucht es Know-how, aber auch Haltung.
Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU)
Mit mehr als 960.000 Mitgliedern und Fördernden ist der 1899 gegründete NABU der älteste und mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands. Der NABU engagiert sich für den Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft. Der NABU begeistert für die Natur und fördert naturkundliche Kenntnisse für ein aktives Naturerleben. Mehr Infos: www.NABU.de/wir-ueber-uns
Autorin: Kim Lüftner