Umweltministerin Steffi Lemke, BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm und Moderator Thomas Ranft bei den Feierlichkeiten zu 30 Jahren Bundesamt für Naturschutz (BfN). (Foto: BfN/Feisel Grombali)

Naturschutz und GaLaBau haben wichtige gemeinsame Anliegen. Aktuelles Beispiel: Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur („Nature Restoration Law“), die von den EU-Mitgliedsstaaten am 17. Juni 2024 verabschiedet wurde. Denn zur Wiederherstellung funktionsfähiger, resilienter Ökosysteme in Deutschland werden auch die GaLaBau-Fachbetriebe gebraucht.

Woran denken Sie, wenn Sie an Naturschutz denken? An Reservate, Verbote für invasive Arten, neue Anforderungen an die Pflanzen- und Beratungskompetenz des GaLaBau? Oder an (mehr und) vielfältigeres Grün in den Städten? Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn und der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL) sind nicht nur direkte „Nachbarn auf der anderen Rheinseite“, sondern auch Partner. 2022 war BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm Schirmherrin des Wettbewerbs „Unsere grüne Straße lebt!“ zum Jubiläum der BGL-Initiative „Rettet den Vorgarten!“.

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) …

… mit Hauptsitz in Bonn-Bad Godesberg ist eine von vier Behörden des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Das BfN hat sowohl wissenschaftliche als auch administrative Aufgaben, die gesetzlich festgelegt sind. Das BfN setzt Naturschutzrecht um, berät politisch Verantwortliche, forscht, beauftragt und vergibt Forschungsprojekte und stellt Forschungsergebnisse und Daten zur Verfügung. An drei Standorten arbeiten rund 430 Mitarbeiter*innen für den Schutz der biologischen Vielfalt und die naturverträgliche Nutzung unserer Ressourcen – in Bonn, Leipzig und auf der Insel Vilm bei Rügen. Das BfN feierte 2023 sein 30-jähriges Bestehen.

Sabine Riewenherm, Präsidentin des BfN

Foto: BfN/ Feisel Grombali

„Wir wollen Naturschutz auch in die von Menschen genutzte Fläche bringen.“

Artenvielfalt stark gefährdet

Wie ist die derzeitige Situation der Artenvielfalt in Deutschland?

Sabine Riewenherm (SR): Nicht sehr gut! Auf den „Roten Listen“, die wir herausgeben und die die Situation der Arten in Deutschland beschreiben, ist ein Drittel der in Deutschland erfassten Tier- und Pflanzenarten aktuell als bestandsgefährdet gekennzeichnet – das ist viel!

Dafür gibt es mehrere Ursachen. Auch invasive, nicht-heimische Arten sind gefährlich für unsere heimische Arten, denn sie verdrängen diese. Deshalb müssen wir invasive Arten bekämpfen. Hierzu dient die EU-Unionsliste zu invasiven gebietsfremden Arten. Darauf stehen aktuell fast 90 Arten, die verboten sind, zum Beispiel: Pampas-Gras, Steppengras, Chinesischer Talgbaum. Das ist gesetzlich verankert. Aber viele wissen gar nicht: Was darf gehandelt werden? Was ist verboten? Ich kann verstehen, dass Verbote auch Anlass zur Sorge sind.

Die Außenanlagen des Bundesamtes für Naturschutz sind artenvielfältig und nachhaltig gestaltet. Foto: BfN/Ursula Euler

„Daher wäre es hilfreich, wenn bekannter würde, was invasiv und damit verboten ist. Da ist nicht Rausrupfen das Ziel, sondern langfristiger Ersatz.“

Invasive Arten: Kundige Beratung nötig

Daher wäre es hilfreich, wenn bekannter würde, was invasiv und damit verboten ist. Da ist nicht Rausrupfen das Ziel, sondern langfristiger Ersatz. Viele Menschen mit eigenem Garten haben heute ja ein wachsendes Interesse an Artenvielfalt und wollen einen Beitrag leisten. Da ist die kundige Beratung durch den GaLaBau sehr wertvoll, das dient auch dem Artenschutz!

Was ist jetzt zu tun, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Artenvielfalt in den Städten abzumildern oder sogar zu stoppen?

SR: Gerade in den Städten wird sich der Klimawandel stark auswirken. Die Natur braucht deshalb auch hier ausreichend Raum, um sich anzupassen. Städtische Grünflächen im öffentlichen Raum spielen da eine wichtige Rolle: Trotzdem sind noch viele Fragen offen:

Brauchen wir mehr Stadtbäume und reicht für diese überhaupt noch das Wasser aus, das in den Städten zur Verfügung steht? Sind begrünte Mittelstreifen eine Chance für die Artenvielfalt oder eher eine Todesfalle? Und dann ist da ja noch die Frage: Woran merken wir denn, ob es der Biodiversität wirklich dauerhaft besser geht? Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten.

Gewässer sind ein wichtiger Bestandteil zum Erhalt der Biodiversität. Foto: BfN/Ursula Euler

„Gemeinsam können wir viel erreichen für den natürlichen Klimaschutz und den Schutz der Biodiversität.“

Potenzial Stadtgrün: Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz

In Deutschland gibt es das Bündnis Kommunen für die Biologische Vielfalt mit rund 400 Mitgliedern, mit großer Strahlkraft. Wir haben das kommunale Förderprogramm im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK), das ja gerade erst ausgerollt wird. Es hat sogar ein eigenes Handlungsfeld, in dem es um das Potenzial von Stadtgrün geht. Untersuchungen des BfN zeigen: Artenvielfalt in den Städten ist höher als auf dem Land. Eine große Chance!

Bei Pflanzungen in den Städten, im öffentlichen Raum, ist gebietseigenes Saatgut vorgeschrieben. Doch es gibt regelmäßig Engpässe, gleichzeitig ist nicht-gebietseigenes Saatgut verboten. Dann liegt die Fläche auch im öffentlichen Raum oft brach und verwildert. Was ist in so einer Situation aus Ihrer Sicht die richtige Lösung?

SR: Eine Brache ist aus Naturschutzsicht sinnvoll, auch wenn sie nicht so ansehnlich ist, wie eine gestaltete, gepflegte Fläche. Gleichzeitig sehe ich hier aber auch eine Chance, mit der grünen Branche noch enger zusammenzuarbeiten, damit wir genug gebietseigenes Saatgut haben, das man auf solchen Flächen ausbringen kann.

Der Garten des BfN zeigt Best Practice in Sachen naturnahe Grüngestaltung. Foto: BfN/Ursula Euler

„Wir denken nicht nur in Reservaten.“

Erstes Naturschutzgroßprojekt in einer Großstadt

Doch wir sollten mehr dahin schauen, wo es gut klappt – und das stärker umsetzen. Aktuell fördern wir in Hamburg unser erstes Naturschutzgroßprojekt in einer Großstadt: Da werden Außenbereiche und Parks so verändert, dass sie der Biodiversität dienen. Ich durfte den Förderbescheid gemeinsam mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke übergeben. Das Projekt ist Motivation für andere Städte, die Interesse daran haben, Parkanlagen in Naturschutzgroßprojekte hineinzunehmen. Wir brauchen mehr solcher Positivbeispiele, wo verschiedene Akteurinnen und Akteure etwas zusammen schaffen.

Es gibt da ein Missverständnis: Viele denken, Naturschutz bedeutet, man dürfe auf den Flächen nichts mehr machen. Aber wir denken nicht nur in Reservaten. Wir wollen auch Naturschutz in die von Menschen genutzte Fläche bringen. Wir müssen viel mehr an eine multifunktionale Nutzung von Fläche denken, gerade im stark besiedelten Deutschland. Es reicht nicht, nur – abgesperrte – Schutzgebiete festzulegen. Auch genutzte Bereiche wie land- oder forstwirtschaftliche Flächen oder Gärten und Parks können und müssen wichtige Inseln sein, die zu vernetzten Biotopen werden.

Das Bundesamt für Naturschutz hat seinen Hauptsitz in Bonn-Bad Godesberg. Foto: BfN/Ursula Euler

„Was verlieren wir lang-/mittelfristig, wenn wir uns nicht seitens der Wirtschaft um die Biodiversität und ihren Enthalt kümmern?“

Neues Fachgebiet „Ökonomie und Naturschutz“

Müssten sich Wirtschaftsunternehmen mehr für Natur- und Artenschutz engagieren?

SR: Unbedingt. Daher habe ich ein neues Fachgebiet „Ökonomie und Naturschutz“ eingerichtet – das zielt genau auf den Wirtschaftsbereich ab.

Bei Wirtschaftsunternehmen steht verständlicherweise erstmal das ökonomische Interesse im Vordergrund. Die Frage sollte aber nicht sein: „Lohnt sich Artenschutz und Biodiversität für ein Wirtschaftsunternehmen?“ Die entscheidende Frage ist: „Was verlieren wir als Gesellschaft und auch als Wirtschaft mittel- und langfristig, wenn wir uns nicht um die Biodiversität und ihren Enthalt kümmern?“ Auch hierzu gibt es bereits laufende Projekte, die das BfN fördert, wie zum Beispiel das Projekt UBI (Unternehmen Biologische Vielfalt).

Zusammen mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung haben wir eine Fachbroschüre publiziert „Wege zum naturnahen Firmengelände“. Gemeinsam mit dem Umweltzentrum Hannover begleiten wir bis Herbst 2024 die Gestaltung von 42 naturnahen Firmengelände, in die auch der GaLaBau eingebunden ist.

Gerade haben die EU-Mitgliedsstaaten die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur („Nature Restoration Law“) verabschiedet. Welche Impulse erwarten Sie hierdurch und wie könnte der GaLaBau konkret bei der Umsetzung mitwirken?

SR: "Endlich sind wir mit der neuen Verordnung auch auf europäischer Ebene einen entscheidenden Schritt vorwärts gegangen. Jetzt geht es an die Umsetzung, und das ist eine wichtige Aufgabe für Deutschland. Erfolgreich werden wir dann sein, wenn wir alle Kräfte bündeln - und da sollte der GaLaBau einen großen Beitrag leisten, da ja die Maßnahmen oft vom Fachpersonal des Garten- und Landschaftsbau umgesetzt werden: der Baum wird von ihnen gepflanzt, die Grünfläche von ihnen angelegt. Dabei wird sicher auch ein Schwerpunkt im Bereich der Stadtnatur liegen, denn der Anteil an Grünflächen und Stadtbäumen muss erhöht werden. Das fördert die Gesundheit der Menschen vor Ort, trägt zur Klimaanpassung bei und erhöht die städtische Biodiversität."

Autorin: Katrin Block, BGL-Pressesprecherin, Telefon: 02224.770717, k.block@galabau.de

Carsten Peters2024-08-09T10:31:30+02:00
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