„Handbuch Gute Pflege“: Werkzeug für zukunftsfähige Grünpflege

Zierrasen im Botanischen Volkspark Blankenfelde-Pankow, Berlin. Foto: SenMVKU

GaLaBau-Unternehmer und Grünpflege-Experte Uwe Mehlitz schult Beschäftigte in Grünflächenämtern und privaten Betrieben zu zukunftsfähiger öffentlicher Grünpflege. Im Interview spricht er über das Berliner „Handbuch Gute Pflege“, wie Kommunen und Betriebe bundesweit davon profitieren können und warum Schulungen zu Grünpflege wichtig sind.

Herr Mehlitz, was bedeutet gute öffentliche Grünpflege heute?

Uwe Mehlitz: Grünpflege sollte hochwertig und nachhaltig sein. Dabei müssen Kommunen berücksichtigen, welche Funktionen die Grünflächen haben. Eine Liegewiese lässt sich natürlich nicht als artenreiches Biotop oder als Langgraswiese entwickeln. Deshalb braucht es ein strukturiertes Pflegekonzept, das folgende Fragen beantwortet: Was sind die Funktionsprofile der einzelnen Flächen? Haben sie in erster Linie eine ästhetische Funktion oder eine soziale, auf die Nutzung bezogene? Oder erfüllen sie vor allem eine ökologische Funktion?

Staudenbeete in Bonn

Die Stadt Bonn hat am Rhein insektenfreundliche Staudenbeete angelegt (Foto: Kirsten Lange)

„Wir brauchen eine hochwertige und nachhaltige öffentliche Grünpflege.“

Mit strukturiertem Pflegekonzept effektiv arbeiten

Dementsprechend plant man die Pflegeziele, die Pflegemaßnahmen und deren Ausführung: In welchen Schritten, mit welchen Geräten, innerhalb welcher Zeiträume und in welchen Intervallen ist die Pflege umzusetzen. Auf Flächen, auf denen eine ökologische Pflege möglich ist, sollten Kommunen diese durchführen und dabei vor allem auf Artenvielfalt achten.

Und wie sieht die Grünflächenpflege in den Kommunen in der Praxis aus?

Uwe Mehlitz: Aus meiner Erfahrung werden wegen Personalmangels häufig ausschließlich Löcher gestopft: Das heißt, es wird da gepflegt, wo gerade eine Beschwerde aufploppt oder wo die Pflege dringend nötig ist. Dabei ließe sich mit einem strukturierten Pflegekonzept viel effektiver arbeiten, auch mit wenig Personal. Das Personal sollte zudem mit Weiterbildungen gefördert werden. Die Mitarbeiter*innen sollten beispielsweise anhand der Flächenfunktion erkennen können, ob eine ökologische oder eine herkömmliche Pflege nötig ist.

„Auf Flächen, auf denen eine ökologische Pflege möglich ist, sollten Kommunen diese umsetzen und dabei vor allem auf Artenvielfalt achten.“

Hochstaudenflur am Bullengraben in Berlin Spandau
Foto: Lienhard Schulz, CC BY-SA 3.0  https://de.wikipedia.org/wiki/Bullengraben

„Handbuch Gute Pflege“ nützt allen Kommunen  

Hat die Stadt Berlin deshalb 2016 das „Handbuch Gute Pflege“ entwickeln lassen?

Uwe Mehlitz: Das Handbuch wurde konzipiert, um Ziele und Qualitätsstandards für die Pflege der Grünflächen in Berlin festzulegen. Es soll die Grünflächenämter bei der Planung und Umsetzung von qualitätsorientierter Grünpflege unterstützen. Mittlerweile arbeiten immer mehr Berliner Grünflächenämter mit dem Handbuch. Doch es ist nicht nur für Berlin, sondern auch für alle anderen Kommunen relevant.

Nachschlagewerk und Planungshilfe

Wie können Kommunen das Handbuch denn konkret anwenden – und was nutzt ihnen das?

Uwe Mehlitz: Das Handbuch ist zum einen ein wunderbares Nachschlagewerk für die gute gärtnerische Praxis. Wenn ich zum Beispiel mein Wissen darüber auffrischen möchte, wie ich eine Gehölzfläche pflege, kann ich das nachschlagen. Zum anderen ist es eine Planungshilfe: Kommunen können mit dem Handbuch die Pflege für eine komplette Grünanlage oder für einzelne Flächeninhalte wie Zierrasen, Wiesen, Parkgewässer, Anlagenbäume oder Strauchflächen planen. Denn das Handbuch gibt detaillierte Pflege-Empfehlungen für verschiedene Flächentypen und deren Flächeninhalte: Welche Arbeiten fallen zu welchem Zeitpunkt an, welche Techniken sollten angewendet werden? Es enthält ökologische Pflegehinweise und übersichtliche Pflegepläne in Tabellenform.

„Wir sensibilisieren die Teilnehmer*innen aus den Grünflächenämtern, einfach mal mit offenen Augen durch ihre Anlagen zu gehen und zu überlegen: Muss ich alles flachmähen lassen oder kann ich einzelne Flächen auch auswachsen lassen zu artenreichen Flächen?“

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Rabatte mit Rosen und Stauden im Treptower Park in Berlin, Foto: SenMVKU

Handbuch lässt sich auf Bedürfnisse vor Ort anpassen

Kommunen können das Handbuch auch auf ihre Bedürfnisse anpassen: Dafür holen sie sich die Informationen heraus, die für ihre Grünflächen wichtig sind. Und selbst wenn das am Ende drei Seiten werden – damit haben sie bereits ein Handbuch, das sie ihren Mitarbeiter*innen oder ihren Dienstleister*innen in die Hand drücken können. Außerdem können sie daraus ein Leistungsverzeichnis für Ausschreibungen erstellen.

Schulungen zum Handbuch sind wichtig

Das Handbuch ist allerdings offenbar nicht für alle selbsterklärend: Sie bieten an der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau und Arboristik (LVGA) Seminare dazu an.

Uwe Mehlitz: Tatsächlich ist es wichtig, Grünflächenämter im Umgang mit dem „Handbuch Gute Pflege“ zu schulen. Das stellte sich im Laufe eines Pilotprojekts heraus, bei dem 2018 in den zwölf Berliner Bezirken Grünpflege-Projekte starteten, um die Praxistauglichkeit des Handbuchs zu prüfen. Also entwickelten wir zusammen mit dem Grünflächenamt Marzahn-Hellersdorf, der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Humboldt-Universität ein Seminar für kommunale und öffentliche Grünpflege.

Regierungsviertel

Pflege des repräsentativen Gebrauchsrasens vor dem Kanzleramt, Foto: SenMVKU

„Immer mehr Verantwortliche in den Grünflächenämtern entwickeln Maßnahmen aus dem 'Handbuch Gute Pflege' und setzen sie um. Selbst wenn das erst einmal kleine Schritte sind: Sie setzen damit etwas Großes in Bewegung.“

Lernen, was Gärtnern im Klimawandel bedeutet

Dieses Seminar leiten Sie. Wer nimmt an den Schulungen teil?

Uwe Mehlitz: Vor allem Mitarbeiter*innen der Berliner Grünflächenämter und aus privaten Unternehmen, die für die kommunale Grünflächenpflege beauftragt werden. Außerdem habe ich Teilnehmer*innen aus Kommunalbetrieben anderer Bundesländer, vor allem aus kleineren Kommunen. Und es kommen Mitarbeiter*innen von Wohnungsbaugesellschaften, die selbst große Grünflächen haben.

Und was genau lernen die Teilnehmer*innen?

Uwe Mehlitz: Mit dem Handbuch effektiv zu arbeiten. Außerdem beschäftigen sie sich damit, was Gärtnern im Klimawandel bedeutet – wie sich Arbeitsweisen verändern. Wir sensibilisieren die Teilnehmer*innen, einfach mal mit offenen Augen durch ihre Anlagen zu gehen und zu überlegen: Muss ich alles flachmähen oder kann ich einzelne Flächen auch auswachsen lassen zu artenreichen Flächen? Gleiches gilt natürlich für Gehölz- und Staudenflächen.

Grünflächenämter denken um

Und funktioniert diese Sensibilisierung?

Uwe Mehlitz: Die funktioniert ganz gut. Die Teilnehmer*innen gehen nach dem Seminar tatsächlich mit einem anderen Blick durch ihre Anlagen. Und sie schulen ihr Team anders. So dass zum Beispiel die Mähfahrerin oder der Mäherfahrer, der 40 Jahre lang alles flach gemäht hat, nun weiß: OK, hier mache ich eine Staffelmahd. Oder ich lasse artenreiche Blüteninseln stehen. Oder ich fahre geschwungene Wege und lasse den Rest des Grases stehen. Die Grünflächenämter bekommen ja auch mit, dass sich Bürger*innen mittlerweile eher dann beschweren, wenn alles ratzekahl runtergemäht ist.

„Die Grünflächenämter bekommen ja auch mit, dass sich Bürger*innen mittlerweile eher dann beschweren, wenn alles ratzekahl runtergemäht ist.“

Schorl-Allee mittelwegtor

Eine Flieder-Allee in Berlin, Foto: SenMVKU

Neue Arbeitsweisen, moderne Maschinen

Immer mehr Verantwortliche in den Grünflächenämtern entwickeln Maßnahmen aus dem „Handbuch Gute Pflege“ und setzen sie um. Selbst wenn das erst einmal kleine Schritte sind: Sie setzen damit etwas Großes in Bewegung. Indem sie ihre langjährigen Mitarbeiter*innen dazu bringen, andere Arbeitsweisen anzunehmen. Oder dadurch, dass der Bezirk moderne Maschinen kauft, mit denen eine ökologische Wiesenmahd möglich ist.

Wohnungsbaugesellschaften passen ihre Ausschreibungen an

Sie erwähnten die Wohnungsgesellschaften. Wie arbeiten sie mit dem „Handbuch Gute Pflege“?

Uwe Mehlitz: Wohnungsbaugesellschaften nutzen das Handbuch, um zusammen mit den beauftragten GaLaBau-Unternehmen ihre Grünanlagen auf artenreiche Flächen zu prüfen und diese entsprechend ökologisch zu pflegen. Darüber hinaus haben sich einige von den Seminaren inspirieren lassen, ein eigenes „Handbuch Gute Pflege“ zu erstellen. Andere haben ihre Ausschreibungen für die Grünflächenpflege hinsichtlich des Handbuchs angepasst und berücksichtigen jetzt ökologische Kriterien.

Schmuckbeet mit Wechselflor

Ein Schmuckbeet mit Wechselflor, Foto: SenMVKU

„Für GaLaBau-Unternehmen bieten wir an der LVGA, aufbauend auf die Handbuch-Schulung, ein weiteres Seminar mit abschließender Prüfung an, das sich auf die ökologische Grünflächenpflege konzentriert.“

Neue Schulung: biodiverses Gärtnern

Lernen GaLaBau-Betriebe in Ihrer Handbuch-Schulung, wie sie passende Angebote auf solche Ausschreibungen verfassen? Und wie sie die Arbeiten dann am besten ausführen?

Uwe Mehlitz: Beides ist Bestandteil der Schulung. Außerdem bieten wir an der LVGA, aufbauend auf die Handbuch-Schulung, ein weiteres Seminar mit abschließender Prüfung an, welches sich auf die ökologische Grünflächenpflege   konzentriert. Wir haben es zusammen mit dem Fachverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin-Brandenburg  e. V. (FGL) und der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz entwickelt. Das Seminar richtet sich vornehmlich an GaLaBau-Unternehmen, die in der kommunalen Grünpflege arbeiten. Ein Ziel: Kommunen, die ökologische Pflegeleistungen ausschreiben, können einfacher entsprechend qualifizierte GaLaBau-Betriebe finden.

Uwe Mehlitz: Kurzprofil

Uwe Mehlitz, Jahrgang 1973, ist selbstständiger Landschaftsgärtner sowie Dozent und Koordinator der Weiterbildung an der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau und Arboristik (LVGA)  in Großbeeren. Der Meister im Garten- und Landschaftsbau machte seine Ausbildung zum Zierpflanzengärtner in einem Berliner Grünflächenamt. Außerdem arbeitete er in einem Grünflächenamt als Ausbildungsleiter. 2006 gründete er ein GaLaBau-Unternehmen  mit dem Schwerpunkt Grünflächenpflege. Für das Berliner Projekt „Handbuch Gute Pflege“ entwickelte er an der LVGA zusammen mit Kooperationspartnern Seminare zur kommunalen Grünpflege.

Der Rheinpark Köln, der Rudolph-Wilde-Park und der Volkspark Hasenheide in Berlin - mit weiten Liegewiesen und Anlagenbäumen (v.l.n.r.)
Foto Rheinpark: Elke Wetzig (elya) - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=801533, Foto Rudolph-Wilde-Park: Lienhard Schulz, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=403737, Foto Volkspark Hasenheide: SenMVKU

Autorin: Kirsten Lange

Carsten Peters2024-01-15T16:31:24+01:00
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