Bäume schützen vor Depression:
BOLLWERK BAUM II
Bäume in der Stadt fördern die Artenvielfalt, sind gut fürs Klima – und schützen vor einer Depression. Denn sie wirken auf die seelische Gesundheit der Menschen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung – UFZ und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig hat in einer Studie belegt, dass Straßenbäume im unmittelbaren Lebensumfeld sogar Depressionen lindern können. Warum das so ist, erläutert die Biologin Aletta Bonn, Professorin für Ökosystemleistungen, im Interview.
Sie haben mit einem interdisziplinären Forschungsteam in einer Studie untersucht, ob Bäume in Wohngebieten eine positive Wirkung auf die psychische Gesundheit haben. Wie sind Sie vorgegangen?
Aletta Bonn: Uns hat interessiert, wie Biodiversität und Gesundheit zusammenhängen. Dabei geht es um die alltägliche Biodiversität, also das Straßengrün. Wir konnten mit der Universität Leipzig zusammenarbeiten und die dort aus der LIFE-Gesundheitsstudie der Medizinischen Fakultät ermittelten Daten von 10.000 erwachsenen Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt Leipzig mit räumlichen Daten zu Straßenbäumen in Beziehung setzen.
Leipziger Gesundheitsstudie mit Baumkataster kombiniert
Es gibt bereits Studien zur Bedeutung von Grünflächen und Parks. Meist liegen ihnen Umfragen zugrunde, bei denen die Befragten eine Selbsteinschätzung ihrer physischen und psychischen Gesundheit abgegeben haben. Was uns interessiert hat, war ein harter Gesundheitsfaktor, nämlich die Anzahl verschriebener Antidepressiva. Es war uns wichtig, eine medizinische Indikation zu haben. In der LIFE-Gesundheitsstudie wurden diese Daten mit aufgenommen. Hier sind wir die erste Studie, die den Zusammenhang auf diesem sehr persönlichen Level untersuchen konnte.
Straßenbäume schützen vor Depressionen
Was haben Sie herausgefunden?
Aletta Bonn: Wir konnten einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Verordnungen von Antidepressiva und der Anzahl von Straßenbäumen in der direkten Umgebung der Wohnorte feststellen. Dabei haben wir die vorhandenen Straßenbäume vor der Haustür untersucht und konnten zeigen, dass vor allem die direkte Begegnung mit Straßenbäumen, die sich in weniger als 100 Meter Entfernung befinden, einen positiven Effekt auf die psychische Gesundheit hat.
Mehr Bäume, weniger Antidepressiva
Es ist offenbar bereits gut, wenn man vom Fenster aus auf Bäume blickt. Die gute Nachricht ist: Straßenbäume sind fast allen Menschen zugänglich! Etwa, wenn man aus dem Haus geht, auf dem Weg zur Arbeit, Schule, Kita oder zum Einkaufen ist.
„Besonders schön sind blühende Bäume. Dabei muss der Baum nicht unbedingt am Straßenrand stehen. Auch ein Baum im Vorgarten kann Passanten anziehen.“
Baum-Ästhetik mit ökologischem und gesundheitlichem Nutzen von Gehölzen verbinden
Spielt es nach Ihren Untersuchungen zu Straßenbäumen und Depression eine Rolle, um welche Baumarten es sich handelt?
Aletta Bonn: Nein, wir konnten in dieser Studie keinen signifikanten Zusammenhang zwischen verschiedenen Baumarten und der positiven Wirkung gegen Depressionen feststellen. Deshalb können Fachleute der Stadtplanung die Gehölze auch unter anderen Gesichtspunkten auswählen, wie Klimaresilienz oder im Hinblick auf Schatten und Kühlungseffekt. Besonders schön sind sicherlich blühende Bäume oder solche mit schöner Herbstfärbung.
Dabei muss der Baum nicht unbedingt am Straßenrand stehen. Ich selbst habe einen schönen Baum in meinem kleinen Vorgarten. Er zieht die Passanten an wie ein Magnet, sie bleiben stehen und erfreuen sich daran. Im Frühjahr an den zauberhaften Blüten, im Herbst an den leuchtend gelben Quitten.
Nun sind die Gründe für eine Erkrankung an Depressionen durchaus vielfältig. Inwiefern haben Sie das bei Ihrer Studie berücksichtigt?
Aletta Bonn: Natürlich gibt es viele Risikofaktoren für eine Depression. Etwa, ob man eine Beschäftigung hat, aber auch die generelle Lebenseinstellung, Alter, Gewicht und Geschlecht spielen eine Rolle. Diese Faktoren haben wir bei unserer Untersuchung herausgerechnet. Wir wissen bereits aus anderen Studien, dass der aktive Kontakt mit Stadtgrün zur Erholung der Konzentration und Aufmerksamkeit beitragen kann. Gerade die Corona-Pandemie hat erneut gezeigt, dass der Aufenthalt in Gärten oder Parks Stress reduzieren kann.
Bäume spielen eine bedeutende Rolle im Hinblick auf Ökosystemleistungen. Was bedeuten die Ergebnisse Ihrer Studie für die Verantwortlichen bei Stadtplanung und Grünflächenamt?
Aletta Bonn: Wir hoffen, dass unsere Studie einen Beitrag dazu leisten kann, dass noch viel mehr Straßenbäume gepflanzt werden, auch bei neuen Quartiersentwicklungen. Denn die Natur in der Stadt erbringt nachweislich vielfältige Ökosystemleistungen.
Blattgrün schützt Städte und Menschen vor Überhitzung
So können Baumalleen die Umgebung in Großstädten um mehrere Grad herunterkühlen. Doch sie sind nicht nur wichtig im Kampf gegen den Klimawandel und fördern Biodiversität. Sie filtern auch die Luft von Feinstaub und Schadstoffen. Folglich sollte der gesundheitliche Nutzen immer mit bedacht werden. Wir müssen von den überhitzten Straßenschluchten wegkommen. Und wir brauchen wieder mehr Biodiversität im urbanen Raum. Denn sie führt uns auch zu menschenfreundlicheren, gesünderen Städten. Hier haben wir eine echte Win-Win-Situation.
„Mehr Straßenbäume zu pflanzen könnte durchaus dazu beitragen, die Lücke der gesundheitlichen Ungleichheit zu schließen. Das zielt vor allem auf Menschen mit einem geringeren sozioökonomischen Hintergrund ab.“
Bäume helfen im Kampf gegen soziale Ungleichheit
Aletta Bonn: Mehr Straßenbäume zu pflanzen könnte durchaus dazu beitragen, die Lücke der gesundheitlichen Ungleichheit zu schließen. Das zielt vor allem auf Menschen mit einem geringeren sozioökonomischen Hintergrund ab. Sie sind häufig besonders gefährdet, an Depressionen zu erkranken. Was wiederum zu hohen Folgekosten führt, etwa durch Arbeitsausfall und medizinische Behandlungen.
Natürlich sind Baumpflanzungen und deren Pflege auch mit Kosten verbunden. Aber wir beobachten bereits in vielen Städten den Trend, Straßenzüge wieder zu begrünen. Zum Beispiel in Leipzig. Doch wenn es um die Kosten geht, da kann es durchaus ein zusätzliches Argument sein, zu sagen: Diese Begrünung ist nicht nur eine ökologische Maßnahme, sondern sie kann durchaus auch als öffentliche Gesundheitsmaßnahme betrachtet werden.
Natur als Heilmittel – auch in der Stadt
Bäume sind nicht ganzjährig grün. Können sie auch im Winter eine positive Wirkung auf die psychische Gesundheit entfalten?
Aletta Bonn: Ja, Bäume ziehen zum Beispiel auch im Winter Vögel an. Tatsächlich konnten wir bereits in anderen Studien zeigen, etwa in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg-Institut in Frankfurt, dass die Diversität von Vögeln mit der Lebensqualität zusammenhängt. Wir haben das für Regionen in Europa untersucht. In Laborversuchen haben wir festgestellt, dass in Parks aufgenommene Vogelstimmen die Erholungswirkung bei den Probepersonen gesteigert haben.
Vogelgezwitscher dient der Erholung, Vegetation dämpft Lärm
Allerdings gibt es hier einen Störfaktor: Verkehrslärm. Je lauter die Verkehrsgeräusche, desto geringer war die empfundene Erholungsleistung. Für Verantwortliche in der Stadtplanung bedeutet das: Fuß- und Radwege sollten so geplant werden, dass die Menschen möglichst viele Vögel auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen hören können. Dabei bieten vor allem einheimische Baumarten Vögeln Nistmöglichkeiten. Gleichzeitig lassen sich in Großstädten mit viel Vegetation auch laute Geräuschkulissen abschwächen. Natürlich sollte auch über Mobilitätskonzepte nachgedacht werden, die mehr Natur und weniger Verkehrslärm ermöglichen. Auch hier können Naturschutz und Gesundheitsschutz wieder zusammengedacht werden.
Was bedeuten Ihre Studienergebnisse für die Praxis von Garten- und Landschaftsbaubetrieben? Welches Fachwissen sollten sie bei diesem Thema mitbringen?
Aletta Bonn: Da ist auf der einen Seite gärtnerisches Fachwissen gefragt, etwa was Klimaanpassung, Biodiversität oder auch nicht allergene Baumarten betrifft. Künftig werden Beratungsleistungen immer wichtiger, die all diese Aspekte berücksichtigen. Allerdings können diese Themen auch gezielt gepusht werden, denn oft erkennen Auftraggeberinnen oder Auftraggeber noch gar nicht deren Bedeutung.
Spezialwissen wird neben gärtnerischem Fachwissen immer wichtiger
Aletta Bonn: Ich sehe für GaLaBau-Betriebe viele Möglichkeiten, Aspekte aus den Bereichen Natur- und Gesundheitsschutz bei der Beratung zu kombinieren.
Mit ihrer Expertise kommt den GaLaBau-Betrieben eine wichtige Rolle zu. Es geht nicht nur um Straßenrandgrün. Auch die Bäume in Vorgärten, Privatgärten oder Parks spielen für die Förderung der psychischen Gesundheit eine Rolle. Großes Potential bieten übrigens auch Firmengelände, die bei der Gestaltung vielleicht noch mehr Freiheiten lassen. Dort muss es längst nicht immer nur der abgeharkte Rasen oder die lebensunfähige Thujahecke sein. Oder das Kiesbeet. Solche Anlagen müssen ja auch gepflegt werden – am Ende werden gar Pestizide gegen Unkraut eingesetzt.
Mehr Bäume in Privatgärten und auf Firmengelände!
Stadtbäume, die für viele Menschen leicht zugänglich sind, können im Ergebnis als einfache naturnahe Lösung für eine gute psychische Gesundheit dienen. Das sollten Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtner in der Beratungspraxis immer wieder deutlich machen. Um die genannten Synergieeffekte zu erzielen, braucht es keine großen, teuren Parks. Mit mehr Bäumen entlang der Straßenzüge, also auch in Vorgärten, könnte auch ohne großen planerischen Aufwand und ohne hohe Kosten die Lebensqualität der Stadtmenschen verbessert werden.
Zur Person: Professorin Aletta Bonn
Aletta Bonn leitet das Department Öksoystemleistungen am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und ist Professorin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Rahmen des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Leipzig. Mit ihrem Team untersucht sie die Leistungen von Ökosystemen und forscht zu Biodiversität und menschlichen Wohlbefinden, sowie Bürgerforschung oder Citizen Science. Aletta Bonn studierte Biologie an der Freien Universität Berlin, der University of Bangor, Wales und an der Technischen Universität Braunschweig, wo sie 2000 promovierte. Von 2001 bis 2012 arbeitete sie an der University of Sheffield sowie dem Peak District National Park und der International Union for Nature Conservation (IUCN) in Großbritannien im Bereich partizipativer Naturschutzforschung.
Lesen Sie auch:
Bollwerk Baum I: Interview mit Bernhard von Ehren - BOLLWERK BAUM: Interview Bernhard von Ehren - GaLaBau-Blog
Weiterführende Links:
Springer Buch:
Marselle, M.R., Stadler, J., Korn, H., Irvine, K.N. & Bonn, A. (2019) Biodiversity and health in the face of climate change. Springer, Cham, Switzerland. https://www.springer.com/de/book/9783030023171.
Uebel, K., Marselle, M., Dean, A.J., Rhodes, J.R. & Bonn, A. (2021) Urban green space soundscapes and their perceived restorativeness. People and Nature, 3, 756-769. https://doi.org/10.1002/pan3.10215
Fotos (wenn nicht anders angegeben): Conny Frühauf - Autorin