Für Landschaftsarchitektin Brigitte Röde sind Gärten Orte voller Leben. Die Garten-Gestalterin will zeigen: Naturnahe lebendige Gärten, die vielen Pflanzen und Tieren ein Zuhause geben, sind ästhetisch schön, beständig und machen wenig Arbeit. Ihr Plädoyer für Gartenvielfalt und für einen neuen Blick auf das, was Gärten besonders macht.

„Viele Gartenbesitzer*innen haben erstmal den Wunsch: ,Ich möchte einen schönen Garten haben.’ Jede und jeder empfindet allerdings etwas anderes als schön. Immer mehr Menschen sehen einen Garten als bewohnbaren Außenraum. Doch so einfach funktioniert das nicht. Denn wir haben es mit Wetterverhältnissen und mit lebendigen Organismen zu tun. Klar: Terrassen, Wege, Grünflächen – das alles macht einen Garten ebenfalls aus. Doch das Wichtigste sind die Pflanzen und die Tiere, die den Garten lebendig machen.

„Unsere Gärten, egal wie groß sie sind, übernehmen mittlerweile die Funktion von kleinen Arche Noahs.“

Bagatelle Garden House

Für das Bagatelle Garten House in Budapest gestalteten Brigitte Röde und ihr Team den Hotelgarten. Foto: Gary Rogers

Wir haben Verantwortung für jeden Quadratmeter Erde

Wir alle haben eine große Verantwortung für jeden Quadratmeter Erde, den wir in irgendeiner Form erschließen und beleben können – egal ob wir einen Garten besitzen oder einen Straßenbaum vor unserer Haustür haben. Viele Insekten werden aus dem landwirtschaftlich geprägten Raum verdrängt, und aus den Städten, wo viel versiegelt ist. Unsere Gärten, egal wie groß sie sind, übernehmen mittlerweile die Funktion von kleinen Arche Noahs.

Pflanzen, Raupen, Vögel – alles ist aufeinander abgestimmt

Wildbienen schützen, Hummeln retten – dieses Ziel können viele Menschen unterstützen. Doch wir sollten auch die Fraßinsekten schützen, die Ameisen, Käfer und Raupen. Wenn ich einem Kunden erkläre: Es ist gut, dass das kleine Pfaffenhütchen am Rand des Beetes total mit Raupen befallen ist, bekomme ich ungläubige Blicke. Ich versuche dann zu erklären, dass in der Natur alles wunderbar zusammenpasst. Ein Pfaffenhütchen ist dafür gemacht, den Raupen für eine gewisse Zeit Futter zu geben. Die Raupen wiederum sind die Nahrung für die Vögel, die in dieser Zeit ihre Brut füttern. Im Sommer gibt es den zweiten Trieb, den Johannistrieb. Dann sind keine Raupen mehr da und das Pfaffenhütchen erholt sich sehr schnell.

Privatgarten

Ein Teich im Garten bringt Vielfalt. Er ist Lebensraum für Pflanzen, die es nass oder feucht mögen, und für Amphibien und Insekten. Auch Vögel freuen sich über Wasser im Garten.

„Wir sollten auch die Fraßinsekten schützen, die Ameisen, Käfer und Raupen. Wenn ich einem Kunden erkläre: Es ist gut, dass das kleine Pfaffenhütchen am Rand des Beetes total mit Raupen befallen ist, bekomme ich ungläubige Blicke.“

Welches Potenzial bringen die Pflanzen mit?

Wenn Menschen in ihrem Garten etwas verändern wollen, berate ich gern, bevor Pflanzen gerodet werden. Ich schaue mir an, welches Potenzial die Bestandspflanzen mitbringen. Welche für diesen Garten wichtig sind, beispielsweise um Schatten zu spenden, im Sommer die Luft zu kühlen oder Tieren Schutz und Nahrung zu geben. Außerdem höre ich genau hin, was die Menschen wollen und warum sie es wollen. Ziel ist, gemeinsam das Beste und Schönste für die Gartennutzer*innen  und die Natur zu erreichen.

Aus der Sicht der Natur erklären

Meine eigenen Gestaltungs-Ideen und meine Vorstellung von Schönheit im Garten beschreibe ich immer aus Sicht der Natur. Ein Beispiel: Ein großer Baum steht auf dem Nachbargrundstück, an der Grenze zum Garten meiner Kunden. Oft ist so ein Baum Stein des Anstoßes, beispielsweise wenn er Gartenbereiche verschattet. Dann erkläre ich, dass diese heimische Vogelkirsche vielen Insekten und Vögeln Nahrung und Raum zum Brüten bietet und wichtig für die Tiere auch in ihrem Garten ist. Außerdem kann der Schatten in heißen, trockenen Sommerwochen ein Riesengeschenk sein. Große, alte Gehölze sind wertvoll und schaffen eine besondere Atmosphäre.

„Es wird immer wichtiger, dass wir bei der Pflanzenauswahl Pflanzen verwenden, die genau zum Standort passen.“

Wasser ist ein wichtiges Gestaltungs-Element

Wasser ist ein wichtiges Gestaltungs-Element in den Gärten, die Brigitte Röde plant. Hier ergibt es zusammen mit der Bepflanzung und der Pflasterung einen harmonischen Dreiklang. Foto: Gary Rogers

Der passende Standort ist wichtiger denn je

Es wird außerdem immer wichtiger, bei der Pflanzenauswahl Pflanzen zu verwenden, die genau zum Standort passen, zum Boden und zu den Lichtverhältnissen. Früher war das nicht so entscheidend, weil die Sommer und Winter relativ klar definiert und weniger extrem waren. Heute ist durch starken Dauerregen und lange Trockenphasen vor allem im Frühling und Herbst eine Anpassung immer schlechter möglich.

Schwierige Zeiten für den Buchsbaum

Mit dem Klimawandel kommen außerdem neue Krankheiten. Früher galt: Auf den Buchsbaum lässt sich im Garten immer bauen. Der kann sonnig oder unter einem Baum stehen, der kommt mit Wurzelkonkurrenz, mit Trockenheit oder mit nassen Füßen klar. Dann kamen der Buchsbaumzünsler und der Buchsbaumpilz. Und nun schafft es oft selbst der stattlichste und zuverlässig nach Rückschnitt wieder austreibende heimische Buchsbaum nicht mehr. Alternativ schlage ich Pflanzen vor, die das erfüllen, was der Buchsbaum im Gartenkonzept leistete: Die Altersform vom Efeu kann beispielsweise ein insekten- und vogelfreundlicher Buchsbaum-Ersatz sein.

Große Gehölze

Große Gehölze bieten Tieren Raum zum Leben und spenden Menschen Schatten an heißen Sommertagen. Foto: Gary Rogers

„Wir als Gesellschaft sollten Schönheit im Garten neu definieren und anfangen, sie anders zu sehen und darzustellen.“

Gärten zeigen, wie sie wirklich sind

Wir als Gesellschaft sollten Schönheit im Garten neu definieren und anfangen, sie anders zu sehen und darzustellen. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen Gärten als Lebensraum sehen anstatt als einen perfekten Wohnraum unter freiem Himmel. Je mehr schöne Gartenfotos Gärten zeigen, wie sie wirklich sind – beispielsweise mit Gänseblümchen im grünen Rasen und Flechten auf den Wegen – desto schneller kommen wir zu naturnahen und vor allem pflegeleichten Gärten.

Ein Garten darf Patina bekommen

Denn es ist ja nicht der Garten an sich, der Gartenpflege aufwändig macht, sondern der Anspruch, es müsse permanent überall ordentlich sein. Ich finde: Ein Garten darf Patina bekommen. Und wenn ein Garten so bepflanzt ist, dass alles genau zum Standort passt, hat man auch deutlich weniger Arbeit damit und kann die Schönheit entspannt genießen.“

„Wenn ein Garten so bepflanzt ist, dass alles genau zum Standort passt, hat man deutlich weniger Arbeit damit und kann die Schönheit entspannt genießen..“

Gärten dürfen wild aussehen

Gärten dürfen wild aussehen - auch Löwenzahn ist jederzeit willkommen.

Brigitte Röde

Zur Person: Brigitte Röde

Landschaftsarchitektin Brigitte Röde begeistert sich für Pflanzen und gärtnert selbst leidenschaftlich gern. Nach ihrem Studium der Landschaftsarchitektur in Osnabrück eröffnete sie 1987 das Planungsbüro Garten und Freiraum in Köln. Mit ihrem Team plant sie Gärten in ganz Deutschland und darüber hinaus. Ihre Gärten wurden mehrfach ausgezeichnet. Außerdem hält Brigitte Röde Vorträge und schreibt Bücher. Sie ist aktiv im Bund deutscher Landschaftsarchitekt*innen (bdla) und engagiert sich als Fachsprecherin für Gartenkultur und Gartenkunst im Vorstand des bdla-Landesverbands NRW. 2019 gründete sie zusammen mit einem Kollegen die Gartenakademie Dycker Feld zur Weiterbildung und Vernetzung für Fachleute und Gartenbegeisterte.

Foto: Gary Rogers

Protokoll: Kirsten Lange

Fotos (sofern nicht anders angegeben): Brigitte Röde

Carsten Peters2025-03-27T17:23:39+01:00
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