App-Gartenbau: „Naturnahe Firmengärten sind Werbung für Unternehmen“

Für ein großes Energieunternehmen gestaltet App-Gartenbau einen naturnahen Firmengarten. Chefin Uschi App wünscht sich, dass mehr Unternehmen den Wert eines grünen Firmengeländes erkennen.

Den ersten Spatenstich für das Firmengrün-Projekt des Energieunternehmens EnBW Energie Baden-Württemberg machte Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Im April 2023 pflanzte er gemeinsam mit Umweltministerin Thekla Walker und weiteren Projektbeteiligten symbolisch einen Baum am EnBW-Standort in Biberach an der Riß - eine alte, regionale Apfelsorte.

wiederverwendete Pflastersteine

Eine Vorgabe bei der Gestaltung des naturnahen Firmengartens: Das ausgebaute Material soll wiederverwendet werden. Das App-Team baut beispielsweise das alte Parkplatzpflaster als Rasenfugenpflaster wieder ein.

„Auf dieser Baustelle ist quasi nichts weggekommen. Das war für uns echtes Neuland. Die Routine auf einer Baustelle ist: Altes Material schnell wegschaffen, neues bringen und einbauen. Beim EnBW-Projekt mussten sich die Mitarbeiter*innen umgewöhnen.“

Firmengarten für Artenvielfalt und besseres Mikroklima

Mittlerweile ist der erste Bauabschnitt des naturnahen Firmengartens fertig - umgesetzt von App-Gartenbau aus Unlingen bei Biberach. „Das Gelände sah so aus, wie viele Firmengelände eben aussehen“, sagt Geschäftsführerin und Landschaftsgärtnerin Uschi App. „Gepflasterte und asphaltierte Flächen, Parkplätze, ein Grünstreifen in der Mitte. Das wird jetzt alles rückgebaut.“ Das Energieunternehmen will mit dem naturnahen Firmengarten Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten und das Mikroklima verbessern: Mehr Grün bedeutet weniger Hitze und bessere Luft.

Wildstauden und Sandarium

Die Aufsicht über die Baustelle hat Apps Mitarbeiterin Ann-Katrin Schweikert. Für den ersten Bauabschnitt pflanzten die Gartenbautechnikerin Schweikert und ihr Team Wildstauden, legten ein Sandarium aus Muschelkalk für Wildbienen an und ergänzten die Hecken um heimische Sträucher wie Holunder und Kornelkirsche. Eine weitere Vorgabe bei der Gestaltung des naturnahen Firmengartens: Das ausgegrabene und ausgebaute Material sollte wiederverwendet werden.

„Das gesamte Team ist emotional mit dabei, es feiert das Projekt richtig.“

Altes Holz für neues Leben

Dies setzte das Team beispielsweise bei der Neupflanzung eines Kirschenhains um. „Die Bäume waren krank“, erzählt Uschi App. „Die haben wir gefällt und die Stämme als Totholz wieder in den Hain eingebaut.“ Auch die Wurzeln der Kirschbäume grub das App-Team aus, säuberte sie und legte sie ins Sandarium. Denn das Totholz zieht neues Leben an: Insekten, Eidechsen und Spinnen, Igel, Mäuse und Vögel.

Nichts kommt weg

„Für die neuen Kirschbäume musste das Team große Baumgruben ausheben, mit jeweils 12 Kubikmetern Erde“, sagt Uschi App. Das Aushub-Material mischte das App-Team mit frischem Sand und Substrat und baute es wieder ein. „Auf dieser Baustelle ist also quasi nichts weggekommen. Das war für uns echtes Neuland.“ Anfangs sei das durchaus eine Herausforderung gewesen.

„Früher hätten wir ins Angebot geschrieben: Pflaster wird ausgebaut, zur Deponie gefahren, wir bringen neues. Hier mussten wir unser bisheriges Landschaftsbau-Denken ausschalten.“

Stämme als Totholz

Das App-Team fällte die kranken Bäume in einem Kirschhain und baute die Stämme als Totholz in den neuen Hain ein.

Recycling erfordert ein Umdenken

„Die Routine auf einer Baustelle ist: altes Material schnell wegschaffen, neues bringen und einbauen“, sagt Uschi App. Beim EnBW-Projekt mussten sich die Mitarbeiter*innen umgewöhnen: Für Schnittgut, Holz, Steine und Oberboden mussten sie Lagerplatz auf der Baustelle einplanen. Und mit dem Material so umgehen, dass es sich wiederverwenden lässt. Doch nach ein paar Tagen habe das toll funktioniert, sagt Uschi App. „Das gesamte Team ist emotional mit dabei, es feiert das Projekt richtig.

Parkplatz wird zur Stadtklimaanlage

Im Juni 2024 startete das App-Team mit dem zweiten Bauabschnitt. Der große Platz vor dem Hauptgebäude wurde entsiegelt und mit Bäumen zu einer „Stadtklimaanlage“ umgestaltet: Das Blätterdach soll bei Hitze kühlen und die Luft verbessern. Ein anderer Teil der Parkplätze wird zu einer Baumschule werden: Dort zieht das Energieunternehmen Bäume für den Firmengarten groß. „Wir bauen das herausgenommene Pflaster als Rasenfugenpflaster wieder ein“, erzählt Uschi App von den Plänen für den zweiten Abschnitt. „Pflastersteine, die nicht mehr gebraucht werden, lassen wir im Kieswerk schreddern. Das recycelte Material bringen wir als Unterbau ein.“

Mehr Grün und weniger Asphalt auf dem Firmengelände – das nutzt Tieren, Menschen und dem Unternehmens-Image.

„Beim Thema naturnaher Firmengarten muss unsere Branche weiter Überzeugungsarbeit leisten.“

Beratung zum Thema naturnaher Firmengarten

Der EnBW-Auftrag entstand aus dem Projekt UnternehmensNatur: Unternehmen können sich vom Naturschutzbund NABU und der Flächenagentur Baden-Württemberg – einem Dienstleister für Naturschutz-Fragen - beraten lassen, wie sie ihr Firmengelände naturnah gestalten. Die EnBW nahm teil und beschloss, das Gelände in Biberach umzubauen. Zusammen mit dem Institut für Nachhaltige LandschaftsArchitektur INLA unter der Leitung des freien Landschaftsarchitekten Siegfried Knoll erarbeitete die Flächenagentur daraufhin eine detaillierte Planung. Diese war die Basis für die landschaftsgärtnerische Ausschreibung.

Herausforderung: Wie lässt sich Recycling berechnen?

„Die Ausschreibung war für uns ebenfalls eine Herausforderung“, sagt Uschi App. Denn: Wie lassen sich die Kosten für den Einbau von wiederverwendetem Material berechnen? „Früher hätten wir ins Angebot geschrieben: Pflaster wird ausgebaut, zur Deponie gefahren, wir bringen neues. Hier mussten wir komplett umdenken, wir mussten buchstäblich unser bisheriges Landschaftsbau-Denken ausschalten.“ Drei Wochen lang hätten sie zu dritt am Angebot gesessen. Doch der Aufwand habe sich gelohnt.

 „Landschaftsgärtnerin ist mein Traumberuf. Ich wollte nie etwas anderes machen. Ich lebe für diesen Beruf und den Berufsstand.“

Uschi App

Die 59-jährige Landschaftsgärtnermeisterin übernahm den Betrieb im Jahr 2000 von ihren Eltern.

Menschen bleiben stehen und schauen

Die GaLaBau-Chefin wünscht sich, dass viel mehr Unternehmen den Wert eines naturnahen Firmengartens erkennen. Mehr Grün nutzt nicht nur Pflanzen, Tieren und Mikroklima. Es trägt auch dazu bei, dass Mitarbeiter*innen sich wohl fühlen. Außerdem ist ein schön gestalteter Firmengarten eine gute Außenwerbung. Das zeigt sich auch beim neuen EnBW-Garten: Uschi App beobachtet, dass viele Menschen stehenbleiben und schauen.

„Unsere Branche muss weiter Überzeugungsarbeit leisten!“

Größere Firmen wie Baugesellschaften versucht sie, in Richtung naturnaher Garten zu beraten. „Ich schlage beispielsweise eine Wiese mit Wildblumen vor. Der Wille ist erst oftmals da. Aber zum Schluss heißt es doch: ,Mir ist es lieber, wenn ich mit dem Rasenmäher einmal in der Woche über die Fläche fahren kann.’“, stellt die Landschaftsgärtnerin fest. „Beim Thema naturnaher Firmengarten muss unsere Branche weiter Überzeugungsarbeit leisten.“

App-Gartenbau: Familienunternehmen seit 1960

Uschi App übernahm im Jahr 2000 zusammen mit ihrem Mann Erich Ritter den Gartenbaubetrieb, den ihre Eltern 1960 gegründet hatten. Heute besteht das App-Team aus 25 Mitarbeiter*innen, darunter sechs Auszubildende. Bis Ende 2024 will die 59-jährige Landschaftsgärtnermeisterin den Betrieb an ihre Kinder übergeben. Ihre 28-jährige Tochter ist Landschaftsarchitektin, der 30-jährige Sohn Landschaftsgärtnermeister. Beide arbeiten seit einigen Jahren im Unternehmen. „Mein Mann und ich werden die Verantwortung nach und nach abgeben“, sagt Uschi App, die seit Herbst 2023 auch BGL-Vizepräsidentin und Vorsitzende des BGL-Ausschusses Öffentlichkeitsarbeit ist. „Wir haben ein kleines Enkelkind. Ich habe mein Ehrenamt. Das sind andere spannende Themen, die jetzt auf mich warten.“ Natürlich werde sie weiterhin im Betrieb und bei Aufträgen mitarbeiten: „Landschaftsgärtnerin ist mein Traumberuf. Ich wollte nie etwas anderes machen. Ich lebe für diesen Beruf und den Berufsstand.“

Bundesregierung fördert naturnah gestaltete Firmengelände

Das Bundesumweltministerium und die Kreditbank KfW fördern Unternehmen, die ihr Firmengelände klimafreundlich und naturnah gestalten wollen. Die Unternehmen können einen Förderkredit bekommen, wenn sie beispielsweise

  • naturnahe Grünflächen und Kleingewässer schaffen,
  • Flächen entsiegeln und renaturieren,
  • Bäume pflanzen,
  • Gebäude und Fassaden begrünen oder
  • ein Niederschlagsmanagement einführen, das heißt zum Beispiel Regenwasser intelligent nutzen.

Für die Förderung im KfW-Umweltprogramm stellt das Bundesumweltministerium jährlich bis zu 50 Millionen Euro bereit.

Informationen beim Bundesumweltministerium: https://www.bmuv.de/pressemitteilung/natuerlicher-klimaschutz-in-unternehmen-fuer-besseren-klimaschutz-und-mehr-natur

Zum Förderprogramm: https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Energie-und-Umwelt/Förderprodukte/Umweltprogramm-(240-241)/?redirect=74123

Autorin: Kirsten Lange

Fotos: Martin Rottenkolber

Carsten Peters2024-12-02T13:09:17+01:00
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