Gärten in der Stadt – gut für das Klima, die Artenvielfalt und Gesundheit
Gärten in der Stadt spielen eine wichtige Rolle für das Stadtklima, die Biodiversität und Lebensqualität der Menschen. So zeigen aktuelle Forschungen immer deutlicher ihren gesundheitlichen Nutzen. Wie alle diese Leistungen in der Praxis zusammengebracht werden können, erklärt Monika Egerer, Professorin für Urbane Produktive Ökosysteme an der Technischen Universität München, im Interview.
Die Pandemiezeit hat noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig Stadtgrün für die Erholung der Bewohnerinnen und Bewohner ist – denn es liegt leicht erreichbar vor der Haustür. Sie forschen seit langem zur Bedeutung von „Stadtgärten“. Wie definieren Sie dabei den Begriff „Gärten“?
Monika Egerer: Ich definiere urbane Gärten aus einer weiter gefassten Perspektive: Wir können im eigenen Garten gärtnern, auf dem Balkon oder in einem Hinterhof. Genauso können wir auch Gärten in einem botanischen Garten oder einer öffentlichen Grünanlage genießen.
Bei unseren Forschungen geht es vor allem um das Gärtnern als Tätigkeit, bei der Menschen und Pflanzen zusammenfinden. Beim Anpflanzen von Blumen, beim Anbauen von Obst und Gemüse, Pflegen, Ernten – in Wohngebieten oder auf Gemeinschaftsflächen.
„Gärten sind als urbanes Ökosystem enorm wichtig und werden es in Zukunft noch stärker sein. Sie sichern biologische Vielfalt und bieten viele Vorteile für die Natur und die Menschen.“
Forschungsschwerpunkt: Gartenökosysteme
An der TU München konzentrieren wir uns zum Beispiel auf Gemeinschaftsgärten: Das sind Gartenökosysteme, die eine Gruppe kollektiv bewirtschaftet. Dabei kann in einzelnen Parzellen oder eben als Gesamtorganisation auf einer gemeinsamen Fläche gegärtnert werden. Wie beeinflussen die Bewirtschaftung der Gemeinschaftsgärten, aber auch städtische Umweltfaktoren die biologische Vielfalt und die damit verbundenen Ökosystemleistungen der Gärten? Auch dafür interessieren wir uns.
Wir forschen fächerübergreifend, arbeiten also auch mit Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtnern in der Stadt zusammen. Aber genauso arbeiten wir mit Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich Citizen Science, also der Bürgerwissenschaft. So können uns auch Laiinnen und Laien wertvolle Daten über Gärten für unsere Forschung liefern.
Citizen Science – Was ist das?
Der aus dem Englischen übernommene Begriff wird auch übersetzt mit „Bürgerforschung“, „Bürgerwissenschaft“ oder auch „ehrenamtlicher Forschung“. Er steht für einen Ansatz, bei dem wissenschaftliche Daten und Erkenntnisse von nicht wissenschaftlich tätigen Personen gewonnen werden. Die ehrenamtlich Forschenden werden in der Regel von Wissenschaftsteams begleitet. Sie liefern diesen große Datensätze für ihre Forschung. Initiiert werden Citizen-Science-Projekte in Deutschland von der institutionellen Wissenschaft, von Behörden und Schulen. Aber auch von Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft.
Worin bestehen die Ökosystemleistungen von städtischen Gärten und urbanem Grün? Können Sie das genauer definieren?
Monika Egerer: Gärten sind als urbanes Ökosystem enorm wichtig und werden es in Zukunft noch stärker sein. Sie sichern biologische Vielfalt und bieten viele Vorteile für die Natur und die Menschen. Wir bezeichnen diese als Ökosystemleistungen.
Ökosysteme sind die Dienstleister der Natur – sie bringen viele nützliche Vorteile
Durch die Pflanzenvielfalt können Gärten Nahrung und Lebensräume für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere bieten. Wir Menschen können dazu beitragen, indem wir auch einheimische Pflanzenarten und Wildpflanzen verwenden. Vor allem gefährdete Pflanzen oder Tierarten wie Bienen können wir so wieder beherbergen.
Gärten sind auch ein wertvolles Instrument gegen die Überhitzung der Städte: Ihre Vegetation hat eine kühlende Wirkung. Denn Bäume und Großsträucher binden und verdunsten Wasser und spenden Schatten.
Um diese Ökosystemleistungen zu verbessern, ist es wichtig, ökologische Vorteile mit sozialen Aspekten bei der Betrachtung von Gärten in Einklang zu bringen. So schaffen wir Synergieeffekte. Zum Beispiel können wir Obstbäume pflanzen, die Schatten spenden und die Umgebung kühlen. Andererseits locken diese Apfel-, Birnen- oder Kirschbäume Bienen zur Bestäubung an und produzieren für uns Menschen Nahrungsmittel.
„Gärten sind auch ein wertvolles Instrument gegen die Überhitzung der Städte: Ihre Vegetation hat eine kühlende Wirkung, Bäume und Großsträucher spenden Schatten.“
Städtische Hitzeinseln als Folge des Klimawandels beeinträchtigen auch das Wohlbefinden der Stadtmenschen. Beispielsweise wirken sie sich ungünstig auf das Herz-Kreislauf-System aus. Welchen Beitrag können die von Ihnen beschriebenen Stadtgärten für unsere Gesundheit leisten?
Monika Egerer: Neben der Kühlung und damit Abschwächung des Wärmeinseleffekts gibt es noch einen anderen wichtigen Aspekt: In Städten sind die Chancen, sich in der Natur zu bewegen, begrenzt. Deshalb können Stadtgärten einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit leisten: durch Bewegung beim aktiven Gärtnern, durch Sport oder einfach nur Entspannung.
Gärten tragen oft auch zu einer gesünderen Ernährung bei, denn man kann hier frisches Obst und Gemüse aus eigenem Anbau ernten. Auch viele Studien aus dem öffentlichen Gesundheitswesen oder aus der Umweltpsychologie bestätigen das. Deshalb wird Gärtnern in der Therapie bei Stresserkrankungen oder Depressionen eingesetzt.
Studie zeigt: Schon leichte Gartenarbeit fördert die Gesundheit und tut der Seele gut
Aktuell haben wir an der TU München eine Studie veröffentlicht, bei der wir die Auswirkungen von Gartenarbeit bei Stress-Symptomen und zur Stärkung der Naturverbundenheit während der Corona-Pandemie untersucht haben.
Das Ergebnis: Gärten und Gartenarbeit können Stress-Symptomen entgegenwirken. Zudem steigern sie nachweislich die Lebenszufriedenheit. Dabei ist nicht entscheidend, ob man sich auf den Boden kniet und mit den Händen in der Erde gräbt. Maßgeblich ist die Interaktion mit der Natur.
Wenn ich eine positive Verbindung zur Natur herstellen kann, wirkt sich das förderlich auf mein persönliches Wohlbefinden und damit auf meine Gesundheit aus. Das gilt im Übrigen sowohl für den Privatgarten als auch für die öffentliche Grünanlage. Dort geht es dann vielleicht mehr ums Abschalten und Entspannen. Aber auch das soziale Miteinander ist für die Gesundheit unserer Psyche sehr wichtig. In einer Kleingartenanlage oder einem Gemeinschaftsgarten kommen Menschen miteinander in Kontakt. Sie empfinden soziale Zugehörigkeit und können ihr Wissen weitergeben und sich austauschen.
Herausfordernd: neue Wohnräume schaffen und zugleich mehr lebendige Grünflächen
Welche Herausforderungen bringt das im Hinblick auf die Gestaltung von privaten und öffentlichen Stadtgärten mit sich?
Monika Egerer: Wir brauchen dringend mehr Grün und auch Natur in der Stadt, denn deren Ökosystemleistungen sind unverzichtbar. Da steht die Stadtplanung vor riesigen Herausforderungen: Auf der einen Seite brauchen die Städte mehr Grün in Form von privaten und öffentlichen Grünflächen, Gemeinschaftsgärten, Privatgärten, mehr Lebensräume für Menschen, Pflanzen und Tiere. Auf der anderen Seite werden für so viele Menschen auch mehr Wohnungen gebraucht. Stadtverwaltungen werden weiterhin beides ins Gleichgewicht bringen müssen.
Zu dieser Aufgabe gehört es auch, den Zugang zu Grünflächen über soziodemografische Unterschiede hinweg für alle Menschen gerecht zu ermöglichen. Denn hochwertiges Grün muss allen zur Verfügung stehen!
Welchen Beitrag könnten Garten- und Landschaftsbaubetriebe hierbei leisten?
Monika Egerer: Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner können sich bei der Beratung und Betreuung von Projekten dafür einsetzen, mehr naturnahe Gärten und mehr nachhaltig gestaltete Stadtlandschaften auch mit Wildpflanzungen zu schaffen. Zusätzlich fördern Magersubstrate und naturnahe Bereiche durch extensive Pflege und weniger Mähen die Biodiversität.
Im Dialog können GaLaBau-Betriebe ihre Kundschaft stärker für das Thema sensibilisieren. So können sie neue Pflanzarten und -konzepte oder Gartenstrukturen vorstellen, die für städtische Umgebungen besonders geeignet sind und auch einer Überhitzung entgegenwirken. Sicher ist Gartenarbeit im Kleinen, etwa auf dem Balkon, noch ein Nischenmarkt. Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner könnten hier mit neuen, vielleicht auch ungewöhnlichen Ideen inspirieren.
Die „essbare Stadt“, kleine Waldgebiete – spannende kommunale Grünprojekte
„Wir brauchen noch viel mehr solcher fachübergreifenden Projekte! Die Stadtpolitik sollte multifunktionale Grünflächen fördern.“
Welche Ideen gibt es hier bereits? Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Monika Egerer: Bei der Gestaltung von kommunalem Grün sehen wir bereits viele spannende Projekte in Deutschland: Blühstreifen, die „essbare Stadt“, Naschecken, kleine Waldgebiete. Dabei arbeiten Fachleute aus Forschung, Verwaltung, Landschaftsarchitektur und Garten- und Landschaftsbau zusammen.
Wir brauchen noch viel mehr solcher fachübergreifenden Projekte! Die Stadtpolitik sollte multifunktionale Grünflächen fördern; hier und da könnten unsere Städte aber auch ein wenig wilder werden.
„Wir müssen Gärtnern und Gartenarbeit attraktiv für alle machen, generationenübergreifend. Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtner könnten helfen, die Hemmschwelle abzusenken (…).“
Mehr Artenvielfalt im Privatgarten, gewerblichen und öffentlichen Grün!
Welche Leuchtturmprojekte fallen Ihnen dabei ein, in Deutschland oder auch anderswo auf der Welt?
Monika Egerer: Sehr spannend finde ich das bundesweite Projekt „Tausende Gärten, tausende Arten“. Es zielt darauf ab, Menschen für mehr Artenvielfalt in Privatgärten, auf Balkonen, Firmengeländen und auf öffentlichen Flächen zu begeistern. Gemeinsam mit Gärtnereien und Saatgutbetrieben soll mit dieser Kampagne die naturnahe Gartengestaltung mit heimischen Wildpflanzen populärer gemacht werden.
Auf internationaler Ebene fällt mir ein schönes Projekt in Melbourne ein: „Gärten für Wildtiere“. Hier haben sich Stadtrat, Umweltamt und Gemeinde zusammengetan. Dabei beraten Fachleute die Anwohnerinnen, Anwohner und Unternehmen, wie sie in ihren Gärten und Grünanlagen geeignete Lebensräume schaffen, um einheimische Wildtiere zu unterstützen.
Best Practice zu Stadtgärten: von Naschecken bis Insektenhotel
Es will gezielt Menschen und Natur wieder mehr verbinden, um dem großen Artenschwinden entgegenzuwirken und verlorene Habitate für bedrohte Tierarten zurückzuholen. Auch in deutschen Städten gibt es ja immer mehr Initiativen zum gemeinsamen Gärtnern. Ich sehe diese Initiativen an der Schnittstelle zwischen Stadtbevölkerung, Regierung, Garten- und Landschaftsplanung sowie Naturschutzbehörde und Forschung.
Sie forschen schwerpunktmäßig zu diesem Thema und sind an vielen Forschungsprojekten beteiligt. Wie ist der aktuelle Stand, und wohin geht die Reise?
Monika Egerer: Aktuell laufen unsere Forschungsprojekte in München und Berlin. In künftigen Projekten werden wir den partizipativen Ansatz verfolgen und auch mit städtischen Gartenbaubetrieben zusammenarbeiten, um Gartenlebensräume für Mensch und Natur zu schaffen. Auch die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass Gärten wieder stärker im Trend liegen. Ich glaube, das Gärtnern wird weiter an Beliebtheit gewinnen.
Aber Gartenarbeit braucht auch Zeit, Energie und Wissen. GaLaBau-Betriebe könnten hier ihr Know-how weitergeben – etwa durch Workshops, Beratung oder Vorführungen. Wir müssen Gärtnern und Gartenarbeit attraktiv für alle machen, generationenübergreifend. Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtner könnten helfen, die Hemmschwelle abzusenken und die Freude an der Nähe zur Natur zu vermitteln.
(Fotos: Monika Egerer)
Weiterführende Links:
Zur Person:
Prof. Monika Egerer erforscht produktionsorientierte Ökosysteme in und um Städte. Ihr interdisziplinärer Forschungsansatz analysiert Zusammenhänge zwischen Biodiversität, Natur- und Klimaschutz, Ökosystemleistungen und sozial-ökologischen Fragestellungen in urbanen (Agrar-)Systemen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Rolle von Insekten und der pflanzlichen Biodiversität in urbanen Ökosystemen. Nach ihrem Studium an der Universität von Kalifornien absolvierte sie mehrere Forschungsaufenthalte in Australien. Ein Stipendium brachte sie 2019 an das Institut für Ökologie der Technischen Universität Berlin. 2020 wurde sie auf die Professur für Urbane Produktive Ökosysteme an der Technischen Universität München School of Life Sciences berufen.