Chancen naturnaher Firmengärten
Ein Gespräch mit Sven Schulz von der Bodensee-Stiftung
Herr Schulz, Sie leiten das Handlungsfeld „Unternehmen und Biologische Vielfalt“ bei der Bodensee-Stiftung. Was hat Sie dazu bewegt, sich diesem Thema zu widmen?
Sven Schulz: Mein Interesse für Natur- und Umweltschutz begleitet mich schon lange. Seit über 15 Jahren arbeite ich in Projekten, die sich mit Biodiversität und nachhaltiger Flächengestaltung beschäftigen. Angefangen hat es mit dem Projekt „Naturnahe Firmengelände“, bei dem wir Unternehmen beraten haben, wie sie ihre Außenflächen biodiversitätsfreundlich gestalten können. Seitdem habe ich an vielen Initiativen mitgewirkt, die sich mit grüner Infrastruktur, Klimaanpassung und nachhaltigem Bauen befassen – darunter EU-Projekte wie „LIFE BooGI-BOP“ oder „Zukunftsgrün“. Immer ging es darum zu zeigen: Gewerbeflächen können viel mehr sein als triste Rasenflächen oder Schotterwüsten. Sie können Lebensräume für Mensch und Natur bieten – wenn man es richtig macht. Die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen, Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtnern und der öffentlichen Hand zeigt mir immer wieder, wie wichtig es ist, den Dialog zwischen Wirtschaft und Naturschutz zu fördern.
„Eine der größten Hürden ist, dass Grünflächen oft als nachrangig betrachtet werden.“
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für mehr Biodiversität im städtischen Raum?
Sven Schulz: Eine der größten Hürden ist, dass Grünflächen oft als nachrangig betrachtet werden. In Bauprojekten wird viel Geld in Gebäude und Infrastruktur investiert, aber die Gestaltung der Außenanlagen wird manchmal vernachlässigt. Zudem gibt es den Trend zum „pflegeleichten Garten“, der oft in Steinwüsten endet. Das schadet der Biodiversität und bringt uns auch in der Klimaanpassung nicht weiter.
Welche Rolle spielt dabei der GaLaBau?
Sven Schulz: Landschaftsgärtner*innen haben eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, nachhaltige und biodiversitätsfreundliche Flächen zu gestalten. Lange Zeit war die Nachfrage nach konventionellen Lösungen – mit Rasenflächen, Steinbeeten oder standardisierten Pflanzkonzepten – größer als nach naturnahen Alternativen. GaLaBau-Betriebe haben sich verständlicherweise diesem Markt angepasst. Doch das ändert sich gerade. Durch neue Zertifizierungen wie die „biodiversitätsfördernde Außenanlage“ der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und die steigende Nachfrage nach klimaresilienten Flächen wächst das Interesse an ökologischen Lösungen.
Gibt es bereits Beispiele, wo das gut funktioniert?
Sven Schulz: Ja, seit wir an dem Thema arbeiten, haben hunderte von Unternehmen sich beraten lassen und sind aktiv geworden, und 2024 wurden die ersten Auszeichnungen für biodiversitätsfördernde Außenanlagen vergeben. Unter anderem an den Standort Muggensturm von L´Oréal Im Projekt „Zukunftsgrün“ arbeiten wir mit Bauherr*innen und Planer*innen zusammen, um biodiversitätsfreundliche und klimaanpassungsfähige Außenflächen zu gestalten. Auch in der Stiftung Liebenau setzen wir sechs Pilotprojekte um, bei denen sowohl ökologische als auch soziale Aspekte berücksichtigt werden. Hier gehen wir den nächsten Schritt und arbeiten an der Skalierung ökologischer Gestaltung: Auf Dauer sollen alle ca. 150 Standorte der Stiftung aufgewertet werden.
„In unserem Projekt „Zukunftsgrün“ entwickeln wir gemeinsam mit Unternehmen standortgerechte Konzepte, die sowohl biodiversitätsfördernd als auch klimaanpassungsfähig sind.“
Was sind denn die konkreten Vorteile für Unternehmen, wenn sie ihre Außenflächen naturnah gestalten?
Sven Schulz: Die Vorteile sind vielfältig: Solche Flächen fördern das Mikroklima, unterstützen die Artenvielfalt, verbessern die Aufenthaltsqualität für Mitarbeiter*innen und Kund*innen und zahlen positiv auf das Nachhaltigkeitsimage eines Unternehmens ein. In unserem Projekt „Zukunftsgrün“ entwickeln wir gemeinsam mit Unternehmen standortgerechte Konzepte, die sowohl biodiversitätsfördernd als auch klimaanpassungsfähig sind. Das funktioniert nicht nur auf dem Papier – wir setzen diese Ideen konkret um, etwa an sechs Pilotstandorten der Stiftung Liebenau.
Wo steht der GaLaBau in diesem Wandel?
Sven Schulz: Der GaLaBau ist zentraler Partner für naturnahe Gewerbestandorte – aber es gibt noch Luft nach oben. Viele Betriebe verfügen über großes handwerkliches Können, aber nicht immer über das ökologische Fachwissen. Doch das ändert sich. Es gibt heute deutlich mehr Fortbildungen zur ökologischen Gestaltung, neue Fachberichte wie der der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) zur Biodiversität und die DGNB bietet seit 2024 eine Zertifizierung für „biodiversitätsfördernde Außenanlagen“ an. All das gibt dem GaLaBau Rückenwind – und eröffnet neue Märkte.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Sven Schulz: Ich wünsche mir, dass naturnahe Firmengelände zur neuen Normalität werden. Sie sind kein „Nice-to-have“, sondern eine Investition in Lebensqualität, Klimaschutz und Biodiversität. Und dass Landschaftsgärtner*innen als die Experten für Biodiversität und Klimaanpassung wahrgenommen werden. Der GaLaBau hat das Potenzial, unsere Städte nicht nur schöner, sondern auch widerstandsfähiger gegen Klimawandel und Umweltveränderungen zu machen. Wenn wir die Bedeutung von Grünflächen als „naturbasierte Lösungen“ erkennen und entsprechend handeln, profitieren sowohl Menschen als auch die Natur.
„Ich wünsche mir, dass naturnahe Firmengelände zur neuen Normalität werden. Sie sind kein ‚Nice-to-have‘, sondern eine Investition in Lebensqualität, Klimaschutz und Biodiversität.“
Förder- und Zertifizierungsmöglichkeiten für naturnahe Firmengelände
- Kreditanstalt für Wiederaufbau - Förderprogramme: Zuschüsse und Kredite für nachhaltige Stadtentwicklung und grüne Infrastruktur. KfW-Umweltprogramm (240, 241) | KfW
- Bundesamt für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit -Klimaanpassungsförderung: Fördermittel für Kommunen zur Gestaltung klimaresilienter Grünflächen. BMUV: Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels | Förderprogramm
- DGNB-Zertifizierung: „Biodiversitätsfördernde Außenanlage“ seit 2024 möglich – besonders interessant für die Corporate Social Responsibilty. Das Wichtigste zur DGNB Zertifizierung | DGNB
- Länder- und kommunale Programme: Viele Bundesländer bieten spezielle Förderungen für naturnahe Begrünung.
Autorin: Kim Lüftner
Alle Fotos: Sven Schulz/Bodensee-Stiftung